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Das VG Stuttgart hat entschieden, dass das Landratsamt Böblingen einem Unternehmer die gewerbliche Sammlung von Alttextilien/Schuhen mittels Sammelcontainern zu Unrecht untersagt hat.

Der Kläger hatte am 28.12.2012 beim Landratsamt Böblingen eine gewerbliche Sammlung von Alttextilien/Schuhen mittels Sammelcontainern angemeldet. Mit Bescheid vom 11.02.2013 untersagte ihm das Landratsamt Böblingen, gewerbliche Altkleider, Alttextilien und Schuhe entsprechend seiner Anzeige zu sammeln, forderte ihn auf, sämtliche aufgestellte Sammelcontainer innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu entfernen und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass der gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen stünden, da die Sammlung die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Versorgungsträgers (Landkreis Böblingen) gefährde.

Dieser führe seit dem 01.01.2013 die Sammlung und Verwertung von Alttextilien und Schuhen aus privaten Haushalten im Landkreis haushaltsnah und flächendeckend in Eigenregie durch. Mit der Verwertung der eingesammelten Textilien und Schuhe werde ein im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermitteltes zertifiziertes Unternehmen beauftragt. Wegen der angezeigten gewerblichen Sammlung könne der Abfallwirtschaftsbetrieb seine bestehenden Entsorgungspflichten nicht mehr zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen erfüllen. Zudem liege eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers vor, da die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert werde.

Gegen die Untersagungsverfügung erhob der Unternehmer Widerspruch. Zudem beantragte er beim VG Stuttgart Eilrechtsschutz, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13.05.2013 stattgegeben hatte. Der VGH Mannheim hatte die Eilrechtsentscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt. Das Regierungspräsidium Stuttgart teilte nachfolgend jedoch die Rechtsauffassung des Landratsamtes Böblingen und hatte den Widerspruch des Klägers im Dezember 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Daraufhin hat der Kläger am 26.01.2015 beim VG Stuttgart Klage gegen die Untersagungsverfügung vom 11.02.2013 erhoben, mit der er die Aufhebung der Untersagungsverfügung begehrt.

Das VG Stuttgart hat der Klage stattgegeben und die Untersagungsverfügung des Landratsamtes vom 11.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 22.12.2014 aufgehoben.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat das Landratsamt Böblingen, welches das beklagte Land Baden-Württemberg vertritt, dem Unternehmer (eine Firma) die gewerbliche Sammlung zu Unrecht untersagt. Denn der Sammlung stünden überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegen. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei nicht festzustellen. Der Auffassung des Landratsamtes, dem Abfallwirtschaftsbetrieb stehe aufgrund der Überlassungspflicht aus § 17 Abs. 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) der uneingeschränkte Zugriff auf das gesamte potentielle Sammelaufkommen – auch soweit es von gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen erfasst wird – im Landkreis Böblingen zu, sei nicht zu folgen, da dieser Auffassung – wie der VGH Mannheim schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beanstandet hat – ein europarechtswidriges Gesetzesverständnis zugrunde liege. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger genieße mit der Aufnahme seiner Sammeltätigkeit gerade keinen absoluten Schutz vor jedweder Konkurrenz durch gewerbliche Sammler, sondern muss sich selbst am Markt behaupten. Nach dem Urteil des BVerwG vom 30.06.2016 (7 C 4.15) sei er nur vor Einbußen in die von ihm vorgehaltene Entsorgungsstruktur geschützt, soweit diese bedarfsgerecht auf die von ihm tatsächlich erzielte bzw. aufgrund konkreter Planungen erwartete Sammelmenge zugeschnitten ist. Da der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Böblingen seit der Aufnahme seiner Sammlung von Alttextilien im Jahr 2013 einen kontinuierlichen Anstieg seines Sammelaufkommens verzeichnen konnte – von ca. 1.200 Tonnen im Jahr 2013 auf rund 1.800 Tonnen im Jahr 2016 – seien solche Einbußen, die zu einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit geführt hätten, trotz der parallel durchgeführten gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen gerade nicht eingetreten

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht die Berufung zum VGH Mannheim zugelassen. Diese kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Entscheidungsgründe, die noch nicht vorliegen, eingelegt werden.

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