Der EU-Rat hat am 17.12.2024 seinen Standpunkt (allgemeine Ausrichtung) zu einer Verordnung über die Vermeidung der Freisetzung von Kunststoffgranulat – den für die Herstellung von Kunststoffprodukten verwendeten Industrierohstoffen – in die Umwelt festgelegt.
Mit der allgemeinen Ausrichtung erhält der Ratsvorsitz ein Mandat für Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über die endgültige Form der Verordnung.
Die neuen Vorschriften werden dazu beitragen, die Handhabung von Kunststoffgranulat entlang der gesamten Lieferkette zu verbessern. Dadurch könnte die Freisetzung von Kunststoffgranulat in die Umwelt um bis zu 74 % verringert werden.
Aufbauend auf dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission schafft die allgemeine Ausrichtung des Rates ein Gleichgewicht zwischen der Einführung ehrgeiziger und wirksamer Maßnahmen zur Minimierung der Freisetzung von Kunststoffgranulat und der Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwands. Der Text gewährleistet ferner gleiche Wettbewerbsbedingungen für EU-Frachtführer und Frachtführer aus Drittländern und führt im Einklang mit den Empfehlungen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation Verpflichtungen für Seeschiffe ein, die Kunststoffgranulat befördern.
Anwendungsbereich der Verordnung
Diese Verordnung gilt für
- Wirtschaftsteilnehmer, die Kunststoffgranulat in Mengen über 5 Tonnen handhaben,
- EU-Frachtführer und Frachtführer aus Drittländern, die Kunststoffgranulat in der EU befördern,
- Unternehmen, die für die Reinigung von Kunststoffgranulatbehältern und -tanks zuständig sind (vom Rat in seiner allgemeinen Ausrichtung hinzugefügt), und
- Verlader, Betreiber, Agenten und Schiffskapitäne von Seeschiffen, wenn sie einen Hafen eines Mitgliedstaats anlaufen oder verlassen (vom Rat in seiner allgemeinen Ausrichtung hinzugefügt).
Der Rat hält an dem Ansatz der Kommission fest, dass die neuen Vorschriften entlang der gesamten Lieferkette gelten.
Bewährte Verfahren für die Handhabung
Wenn Kunststoffgranulat unbeabsichtigt in die Umwelt freigesetzt wird, ist dies häufig auf mangelndes Bewusstsein und unsachgemäße Handhabung bei Betreibern, Frachtführern und Seeschiffen zurückzuführen. Wenn es in die Umwelt freigesetzt wird, ist es fast unmöglich, Kunststoffgranulat wieder einzusammeln, und es verteilt sich leicht über große Entfernungen über Wind- und Wasserströme.
Im Einklang mit den neuen Vorschriften und je nach Größe der Anlage oder der Transporttätigkeit müssen die Betreiber bewährte Verfahren für die Handhabung befolgen. Sowohl EU-Frachtführer als auch Frachtführer aus Drittländern wären verpflichtet, die Freisetzung von Kunststoffgranulat zu verhindern und gegebenenfalls eine Reinigung vorzunehmen.
Gemäß der allgemeinen Ausrichtung des Rates müssen sowohl EU-Frachtführer als auch Frachtführer aus Drittländern die Behörden über ihre Niederlassung und ihre Beteiligung an der Beförderung von Kunststoffgranulat informieren. Um die Einhaltung dieser Verpflichtungen und gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen, hat der Rat die Verpflichtung zur Benennung eines Bevollmächtigten für Frachtführer aus Drittländern aufgenommen.
Seeverkehr
Die Persistenz eines Kunststoffgranulats in einer aquatischen Umgebung ist über Jahrzehnte oder länger zu messen, da Kunststoffgranulat nicht biologisch abbaubar ist. Im Jahr 2022 wurden darüber hinaus rund 38 % des gesamten in die EU verbrachten Granulats auf dem Seeweg befördert.
Daher hat der Rat spezifische Verpflichtungen in Bezug auf die Beförderung von Kunststoffgranulat auf dem Seeweg (in Frachtcontainern) eingeführt, einschließlich der Sicherstellung hochwertiger Verpackungen und der Bereitstellung ladungsbezogener und anderer technischer Informationen. Dies ergänzt die im Kommissionsvorschlag enthaltenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Beförderung von Kunststoffgranulat auf der Straße, der Schiene und Binnengewässern.
Um die Einhaltung der Vorschriften für den Seeverkehr zu erleichtern, hat der Rat vereinbart, ihre Anwendung um ein Jahr zu verschieben (im Vergleich zu den übrigen Vorschriften der Verordnung). Falls die Internationale Seeschifffahrtsorganisation Maßnahmen zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung mit Kunststoffgranulat durch Schiffe annimmt, sollte die Verordnung auf Vorschlag der Kommission entsprechend geändert werden.
Zertifizierung und Konformitätserklärung
Nach den neuen Vorschriften müssen die nationalen Behörden im Rahmen eines risikobasierten Ansatzes Umweltinspektionen durchführen und andere Prüfmaßnahmen ergreifen.
Um nachzuweisen, dass sie diese Vorschriften einhalten, müssen größere Betreiber ein Konformitätszertifikat einholen, das von einem unabhängigen Dritten ausgestellt wurde. Nach der allgemeinen Ausrichtung fallen alle Unternehmen (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen) unter diese Verpflichtung, wenn sie jährlich mehr als 1 000 Tonnen handhaben. Der Rat hat kleinen Unternehmen vier Jahre Zeit eingeräumt, um dieser Verpflichtung nachzukommen.
Unternehmen, die jährlich weniger als 1 000 Tonnen handhaben, müssen eine Konformitätserklärung ausstellen.
Alternativ ermöglicht die allgemeine Ausrichtung den Mitgliedstaaten, die Einhaltung der Vorschriften durch etablierte nationale Genehmigungssysteme sicherzustellen.
Darüber hinaus hat der Rat eine Verpflichtung für die Behörden aufgenommen, freien und öffentlichen Zugang zu Informationen über die Handhabung von Kunststoffgranulat zu gewähren.
Nächste Schritte
Mit der heute vereinbarten allgemeinen Ausrichtung wird die Verhandlungsposition des Rates formalisiert. Die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über die endgültige Form der Verordnung werden voraussichtlich Anfang 2025 beginnen.
Hintergrund
Schätzungen zufolge wurden 2019 in der EU zwischen 52 140 Tonnen und 184 290 Tonnen Kunststoffgranulat in die Umwelt freigesetzt. Die Freisetzung von Kunststoffgranulat kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette auftreten. Mikroplastik wurde bisher nicht umfassend vom EU-Recht erfasst, und es gibt keine EU-Vorschriften speziell über die Freisetzung von Kunststoffgranulat, obwohl sie negative Auswirkungen auf die Umwelt, das Klima, die Wirtschaft und möglicherweise auf die menschliche Gesundheit hat.
Mit seinen Schlussfolgerungen mit dem Titel „Den Aufbau kreislauffähig und grün gestalten“ (Dezember 2020) unterstützte der Rat die Kommission in Bezug auf die möglichst rasche Einschränkung der absichtlichen Zugabe von Mikroplastik und die Bekämpfung der Verschmutzung durch Kunststoffgranulat.
Im Jahr 2021 schlug die Kommission vor, dass die EU die (absichtliche und unbeabsichtigte) Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt bis 2030 um 30 % verringern sollte (in ihrem Aktionsplan zum Thema „Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden“). Unter den größten Quellen unbeabsichtigter Freisetzungen von Mikroplastik liegt Kunststoffgranulat an dritter Stelle – nach Farben und Reifen.
Am 16. Oktober 2023 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über die Vermeidung der Freisetzung von Kunststoffgranulat zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik vorgelegt.
>>> PDF, englisch: Schlussfolgerungen des Rates zum Thema "Den Aufbau kreislauffähig und grün gestalten
>>> PDF: Null-Schadstoff-Aktionsplan (Europäische Kommission)
Quelle und weitere Informationen: www.consilium.europa.eu