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Deutschland will unabhängiger von Primärrohstoffen werden – doch aktuell stammen nur rund 14 Prozent der eingesetzten Rohstoffe aus dem Recycling.

Produktpass für digitale DokumenteWährend Länder wie die Niederlande bereits auf etwa 32 Prozent kommen, ringt die deutsche Wirtschaft noch um den Weg in eine echte Kreislaufwirtschaft, berichtet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) . Hoffnungsträger der Politik ist der Digitale Produktpass (DPP), eine Art digitale Identitätskarte, die Informationen über Herkunft, Zusammensetzung, Reparaturfähigkeit und Recyclingoptionen eines Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg bündeln soll. Doch ausgerechnet dieses zentrale Instrument wirft bislang mehr Fragen auf als es Antworten liefert.

Ein ambitionierter Zeitplan – mit erheblichen Unsicherheiten

Den Auftakt macht der Batteriepass, der laut EU-Plan bis Ende 2025 fertiggestellt sein soll und ab 2027 greift. Doch zwei Drittel der Unternehmen wissen derzeit überhaupt nicht, was der DPP ist. Und der Druck steigt: Bereits 2027 und 2028 sollen Produktpässe für Textilien, Reifen sowie Eisen und Stahl folgen. Ab 2028 dürften Möbel, Spielwaren und weitere Produktgruppen unter die Pflicht fallen. Dazu kommt der Aufbau einer EU-weiten Datenbank für digitale Produktschlüssel („Unique Identifier“).

Die Folge sind erhebliche Unsicherheiten: Wie bereiten sich Unternehmen vor? Wo müssen sie sich registrieren? Und wie verhält sich der wirtschaftliche Aufwand zum tatsächlichen Nutzen?

Zwischen Transparenzversprechen und Bürokratiegefahr

Laut DIHK-Umfrage zur Kreislaufwirtschaft 2024 sehen viele Unternehmen, die den DPP bereits kennen, durchaus Chancen: mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungskette, ein präziserer Überblick über Materialeinsatz und effizientere Supportprozesse. Doch unklar ist weiterhin, wie genau der DPP technisch ausgestaltet wird, welche Datenstandards gelten sollen und wie bestehende Datenbanken angebunden werden.

Gerade hierin sieht die DIHK eine kritische Schwachstelle: Ohne interoperable Schnittstellen droht ein bürokratisches Konstrukt, das insbesondere kleine und mittlere Unternehmen unverhältnismäßig belastet. Zwar arbeitet das Europäische Komitee für Normung (CEN) an einer DPP-Norm, die noch dieses Jahr vorliegen soll, doch ihr Erfolg wird maßgeblich davon abhängen, ob sie die Bedürfnisse von KMU berücksichtigt.

Damit der DPP seine Wirkung entfalten kann, fordert die DIHK vor allem eines: Einfachheit statt Komplexität. Daten müssen nutzbar und zugänglich sein, nicht redundant. Die Infrastruktur für Sekundärrohstoffe muss erweitert, und die Nachfrage nach recycelten Materialien gestärkt werden. Ein wichtiger Schritt wäre etwa, den DPP künftig verpflichtend in öffentlichen Ausschreibungen einzusetzen, sodass Bund, Länder und Kommunen Materialkreisläufe aktiv schließen.

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