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Am 17./18.05.2022 fand das 15. Kolloquium „recycling for textiles“ in Chemnitz statt. Mehr als 60 Fachleute aus dem Bereich des Textilrecycling, des Textilmaschinenbaus sowie der Textilforschung tauschten sich über die neuesten Entwicklungen aus.

0915 stfi guentherDr. Heike Illing-Günther, Geschäftsführender Direktor des STFI, eröffnet das 15. Kolloquium „recycling for textiles“ Foto: STFIBernd Gulich übergab zudem die fachliche Leitung des Kolloquiums an Johannes Leis, der zukünftig am STFI Ansprechpartner für Forschungsfragen im Gebiet des mechanischen Recycelns ist.

Eröffnet wurde die Tagung durch Grußworte von Frau Dr. Illing-Günther, seit November 2021 Geschäftsführender Direktor des Sächsischen Textilforschungsinstitutes e.V., welche auf die Historie des seit 30 Jahren stattfindenden Kolloquiums einging.

Unter Moderation von Herrn Bernd Gulich startete der erste Tag mit dem Plenarvortrag von Herrn Lutz Walter, dem Generalsekretär der ETP (Europäische Technologieplattform für die Zukunft von Textilien und Bekleidung). Er berichtete über die Innovationen im Bereich der textilen Kreislaufwirtschaft aus europäischer Sicht.

Thematisch wurden dabei die großen Herausforderungen, vor denen die Textilbranche in den Bereichen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und strategischer Autonomie stehen, aufgegriffen. Insbesondere für den Bereich Nachhaltigkeit hat die EU-Kommission eine 16seitige europäische Textilstrategie entwickelt, die detailliert vorgestellt wurde.

Bereits bei der „Vision 2030“ wurde schnell klar, welche große Rolle dem Bereich des Textilrecycling sowie dem Einsatz von Recyclingfasern zugeschrieben wird. Zur Umsetzung dieser Vision wurden die Teilnehmer aus Forschung und Industrie aufgerufen, sich am strategischen Entwicklungsprozess zu beteiligen, um dies nicht an Bürokraten abzugeben oder sich von nichteuropäischen Einflüssen gesetzliche Regelungen diktieren lassen zu müssen. Zur Stärkung der Infrastruktur zur textilen Kreislaufwirtschaft fordert die ETP öffentliche Investitionen von 5 Milliarden € für den Zeitraum 2023-2030.

Nach dem europäischen Blick folgte der regionale Blick auf das Recycling als Chance für den Strukturwan-del im sächsischen Erzgebirge. Die dortige Industrie ist aktuell geprägt von Zulieferern im Bereich der Metallbearbeitung, welche in den folgenden Jahren rückläufig sein wird. Ein Ansatz zur Transformation im Rahmen des Vorhabens SmartERZ ist die Ansiedlung von Know-how im Segment Smart Composites, wel-che durch das vorgestellte Projekt Tricycle auch im Recyclingbereich begleitet wird.

Im Projekt werden Recyclingkonzepte für smarte Multimaterialverbunde entwickelt, welche schlussendlich in einem Open Factory Recyclingcenter für die über 200 Konsortialpartner münden sollen. Anspruchsvoll ist dabei insbesondere die Komplexität der Abfallströme als Mischung aus textilen Komponenten mit Kunststoffen und elektronischen Bauteilen.

Prüfung und Klassifizierung

Eine der größten Hemmnisse für den Einsatz von Rezyklaten ist deren Prüfung und Klassifizierung. Dieser Thematik widmeten sich gleich mehrere Beiträge. Von der Firma TEXTECHNO H. Stein GmbH & Co.KG wurde mit dem Fibre Classifying System FCS ein Tool zur Charakterisierung von Recyclingfasern vorgestellt. Diese neueste Generation des Prüfsystems dient zur Charakterisierung sowohl von Kurz- als auch Langstapelfasern aus natürlicher sowie synthetischer Herkunft.

Herr Dr. Kugler stellte in seinem Vortrag die Herausforderungen der Prüfung von Rezyklaten vor und gab Einblicke, wie das System durch die Auswertung von 15 verschiedenen Rezyklatmischungen angepasst und für das Textilrecycling optimiert wurde.

Passend hierzu stellten Herr Baz vom DITF und Herr Leis vom STFI das Projekt Rohstoffklassifizierung vor. Ihr Ziel ist es, auf Basis von Reißfasern wieder Garne herzustellen, welche qualitativ auf dem Niveau von Neufasern liegen.

Betrachtet werden dabei Baumwolle als hochvolumiger Abfallstrom sowie Aramid als hochpreisiger Abfallstrom. In den Untersuchungen wurden der Einfluss der im Reißprozess genutzten Garnituren sowie der Maschinendurchläufe dargelegt. Die erhaltenen mittleren Faserlängen von ca. 26 mm bei Aramid und bis zu 16 mm bei Baumwolle sind für eine Weiterverarbeitung in der Spinnerei geeignet. Die Recyclingaramidfasern konnten am DITF ohne Zugabe von Primärfasern zu einem Rotorgarn verarbeitet werden. Aktuell laufen Versuche zur Verspinnbarkeit der Recyclingbaumwolle unter Beimischung von Neufasern.

Die SOEX-Recycling Germany GmbH in Persona von Herrn Steckert berichtete nachfolgend über die Ei-genentwicklung einer Sortieranlage, welche auf der Nutzung eines NIR-Spektrometers basiert. Gestartet wurde die Entwicklung auf einer Pilotanlage mit manueller Sortierung mit einem Durchsatz von 50 bis 100 kg/h.

Die Technologie ermöglicht die Bestimmung der in den Alttextilien enthaltenen Faserstoffe und somit perspektivisch eine automatisierte Sortierung im Produktionsprozess. Die Sortiertechnik dient dabei nicht nur der qualitativen Bewertung, d.h. welche Faserstoffe sind enthalten, sondern auch der quantitativen Bewertung, d.h. welche Anteile der Faserstoffe sind enthalten. Durch die Nutzung einer parallel geschalteten Farbkamera wird zudem die Identifikation der Bekleidungsart durchgeführt. Aktuell wird eine Demonstrationsanlage mit einer maximalen Kapazität von 600 kg/h aufgebaut, welche modular erweiterbar ist und für erste Kundenversuche zur Verfügung steht.

Den Abschluss machte Herr Dr. Fischer vom Faserinstitut Bremen. Er stellte einen neuen Ansatz zur Mes-sung der Faserlänge vor. Der Prototyp des sogenannten FibreScanner wurde im Jahr 2020 gefertigt. Die Präparation der Probe erfolgt wie beim bekannten Almeter als endengeordnete Probe, wobei die Faserlängenmessung kameragestützt bereits während des Kämmvorganges erfolgt. Das Gerät ist geeignet zur Messung von Wolle- und Bastfasern. Die Messung von Reißfasern ist mit der aktuellen Konfiguration nicht möglich, jedoch wäre eine Modifikation denkbar.

Recycling in der Praxis

Die Ausführungen zum Recycling von Anfahrmaterial im Spinnvliesprozess durch Herrn Taubner vom STFI zeigten am praktischen Beispiel Möglichkeiten sowohl Mono- als auch Biko-Filamente durch Zerkleinerung, Agglomeration und Regranulierung wieder in den Stoffkreislauf zurück zu bringen.

In den dargestellten Versuchen konnten bis zu 10 % des Rezyklates wieder in die Extrusion der Spinnvliesanlage beigemischt werden, ohne dass eine negative Beeinflussung des Prozesses beobachtet wurde. Durch den Einsatz der Rezyklate konnte in nahezu allen Variationen eine Steigerung der Höchstzugkraft nachgewiesen werden.

Neben klassischen Reißfasern wurde auch in diesem Jahr die Verarbeitung von rezyklierten Hochleistungsfasern thematisiert. Die Ausführungen zum Projekt HPF-Garnitur durch Herr Dr. Hohmuth von der Tenowo GmbH, Hof beleuchteten dabei die Entwicklung angepasster Garnituren für den Krempelprozess sowie die parallel entwickelte online-Überwachung des Verschließgrades dieser Arbeitsorgane. Im Ergebnis des im Frühjahr 2022 abgeschlossenen Projektes konnte erstmals ein Monitoringsystem zum Verschleißgrad der Krempelgarnituren im Sinne der Industrie 4.0 umgesetzt werden.

Rezyklierte Carbonfasern waren auch der Ausgangspunkt für die Herstellung von rCF-Tapes aus comingled Stapelfasergarnen über die Herr Weber vom Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH, Kaiserslautern informierte. Im Projekt wurden vorgelegte Streckenbänder aus rCF/PA6 mittels Kalandriereinheit zum Tape verarbeitet, anschließend im Tapelegeverfahren gepreformt und mittels Thermoformen zum Bauteil umgeformt.

Dem Problem der heterogenen Zusammensetzung des Abfallstromes bei der Rückführung von rezyklierten Carbonfasern in den textilen Prozess stellt sich das von Herrn Albe (STFI) vorgestellte Projekt CarboDeSize. Anhand eindrucksvoller Bilder und Videos legte er dar, wie sich durch induktive Erwärmung der Carbonfasern ein Entschlichteprozess sowohl im Vliesstoff als auch in Faserbündeln realisieren lässt.

Neue Ansätze

Herr Pelz, der Geschäftsführer der Nomaco GmbH & Co. KG, Rehau, erläuterte in seinem Vortrag die Entwicklungen im Bereich des Textilmaschinenbaus für ein modernes Recycling. Hierbei ging er ausführlich auf die neuesten Modifikationen im Bereich Schneid- und Reißtechnik ein.

Zum Ende der Veranstaltung stellten die beiden Designerinnen Svenja Boissel und Lil Petersen ihre Ansätze zur Nutzung von Baumwollstaub aus der Absaugung im Webprozess vor. Durch Nutzung der Airlaid-Technologie mit anschließender Wasserstrahlverfestigung konnten aus den sehr kurzen Fasern wieder Vliesstoffe gefertigt werden. Akustikmessungen zeigten, dass die so entwickelten Produkte nicht nur als optisches Highlight eingesetzt werden können, sondern auch als Akustikelemente Anwendung finden können.

Die Veranstaltung endete mit der in diesem Rahmen emotionalen Verabschiedung von Bernd Gulich, dem jahrelangen Organisator des Kolloquiums, welcher sich seit Ende Februar 2022 im Ruhestand befindet. Der nicht nur symbolische Staffelstab zur Weiterführung der Veranstaltung wurde an Johannes Leis übergeben, der sowohl neuer Organisator des Kolloquiums „recycling for textiles“ ist als auch am Kompetenzzentrum Vliesstoffe im Bereich mechanisches Recycling Ansprechpartner für Forschungsvorhaben ist.

Das 16. Kolloquium „recycling for textiles“ findet am 6. und 7. Dezember 2023 in Chemnitz statt.



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