Um der Berge an Plastikmüll Herr zu werden, will die EU im Dezember eine Kunststoffstrategie veröffentlichen. Viel zu tun gibt es allemal, schreibt Umweltökonomin Adriana Neliganauch vom Institut der Deutschen Wirtschaft und begründet dies im nachfolgenden Artikel.
Auf den Weltmeeren treiben riesige Plastikteppiche. Weil Plastik kaum verrottet und über die Nahrungskette in Pflanzen, Tiere und Menschen gelangt, gilt der Werkstoff vielen Umweltforschern mittlerweile als ebenso große Gefahr für das Ökosystem Erde wie das Treibhausgas Kohlendioxid.
Von alleine lösen wird sich das Problem nicht – im Gegenteil: Weltweit wird immer mehr Plastik produziert. Im Jahr 2015 waren es laut dem Kunststoffhersteller-Verband Plastics Europe 322 Millionen Tonnen und damit fast siebenmal so viel wie Mitte der 1970er Jahre.
Schätzungen zufolge wird mindestens ein Viertel der weltweiten Kunststoffproduktion für Verpackungen benötigt, und diese landen früher oder später in der Tonne – auch in Europa: In der EU hat der Plastikverpackungsmüll von 2005 bis 2015 um 12 Prozent zugenommen – in Deutschland sogar um 29 Prozent.
Zwar ist die Wirtschaftsleistung im selben Zeitraum noch stärker gewachsen, nämlich um 28 Prozent in der EU und sogar um 31 Prozent in Deutschland. Die erfreuliche Nachricht ist also: Je Einheit Bruttoinlandsprodukt fällt heute weniger Verpackungsmüll aus Plastik an als früher. Doch dieser Fortschritt wird nicht reichen, um die Plastikflut auf ein umweltverträgliches Maß einzudämmen.
Deutschland liegt mit einem Plastikverpackungsabfall je Einwohner von gut 37 Kilogramm mehr als 6 Kilogramm über dem EU-Durchschnitt.
Deshalb arbeitet die EU an einer Kunststoffstrategie, die Anfang Dezember veröffentlicht werden soll (Kasten unten). Ein Schritt in diese Richtung war bereits die EU-Plastiktüten-Richtlinie, die den Verbrauch bis 2025 auf 40 Stück je EU-Bürger und Jahr senken soll (siehe iwd.de: „Das Los der Plastiktüte“).
Deutschland geht bei der Umsetzung den Weg der freiwilligen Selbstverpflichtung des Handels. Mit Erfolg: Erst seit Juli 2016 werden Plastiktragetaschen in Supermärkten und vielen anderen Geschäften nicht mehr gratis abgegeben, doch schon 2016 kamen die Bundesbürger nur noch auf einen jährlichen Pro-Kopf-Verschleiß von 45 Beutel, während es im Jahr zuvor 68 waren.
Bundesbürger produzieren viel Plastikmüll
Insgesamt lässt die hiesige Müll-Lage aber noch zu wünschen übrig (Grafik):
Mit einem Aufkommen von gut 37 Kilogramm Plastikverpackungsabfall je Einwohner liegt Deutschland mehr als 6 Kilogramm über dem EU-Durchschnitt.
Selbst manche Mitgliedsländer mit einer vergleichbar hohen Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung verursachen weniger Plastikmüll, so etwa Österreich und Dänemark, vor allem aber die Niederlande und Schweden. Überdies ist es einigen, wie den Niederlanden, Spanien und Italien, anders als Deutschland seit 2005 sogar gelungen, ihre Menge an Plastikverpackungsmüll je Einwohner zu reduzieren.
Zu erklären ist Deutschlands schlechte Performance in Sachen Plastikvermeidung zu einem Teil wohl auch dadurch, dass der Mehrweganteil an den Getränkeverpackungen trotz Pfand seit Jahren zurückgeht. Lag er 2006 noch bei fast 60 Prozent, waren es 2015 nur noch knapp 46 Prozent.
Mülldeponien sind das größte Problem
Zum europäischen Buhmann taugt die Bundesrepublik trotzdem nicht. Denn beim Thema Recycling gehört sie zu den Besseren:
Hierzulande wird fast die Hälfte des Plastikverpackungsmülls aufbereitet – im EU-Schnitt beträgt die Recyclingquote nur 40 Prozent.
Die eigentliche Dramatik offenbart sich aber erst beim Blick auf die restlichen Kunststoffverpackungen: Während in Deutschland so gut wie alles nicht recycelte Plastik immerhin energetisch genutzt wird, wird es andernorts noch viel zu häufig auf Deponien verfrachtet. In Griechenland, Polen und Lettland zum Beispiel betrifft dies mehr als 60 Prozent des Plastikmülls. Und Plastik, das weder recycelt noch verbrannt wird, endet – vom Winde verweht oder im Fluss fortgespült – oftmals im Meer.
EU-Kunststoffstrategie: Was geplant ist
Kunststoffabfälle möglichst vermeiden und mehr wiederverwerten – so will die EU das Plastikproblem in den Griff bekommen. Nach derzeitigem Stand strebt die EU-Kommission bis 2025 eine Recyclingquote für Plastikverpackungen von 55 Prozent an. Die Eckpunkte der Strategie:
- Plastikabfälle vermeiden. Über Anreize - zum Beispiel eine erweiterte Herstellerverantwortung - und Bewusstseinsbildung soll der Verbrauch an Einwegprodukten wie Kaffeebechern reduziert werden. Es gilt haltbarere Alternativen zu etablieren, unnötige Umverpackungen zu vermeiden und Verpackungen wiederzuverwenden.
- Recyclingfähigkeit von Produkten verbessern. Eine erweiterte Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte soll Hersteller dazu animieren, schon in der Design-Phase auf leichtes Recycling zu achten.
- Den Markt für Recycling-Plastik stärken. Qualitätsstandards und Anreize zur Nutzung von recyceltem Plastik sollen Angebot und Nachfrage beflügeln.
- Mülltrennung und -sortierung stärken. So wird Recycling von Kunststoffabfällen in ausreichender Menge und Qualität erst möglich.
- Schleichendes Vermüllen vermeiden. Es soll eindeutige Regeln für biologisch abbaubares und kompostierbares Plastik geben und die Umweltverschmutzung insbesondere durch Mikroplastik verhindert werden.