Gips wird in Zukunft rar, doch bisher werden Gipsbauteile kaum wiederverwertet. Entsorgungsingenieur Wojciech Walica vom Fachbereich Bauingenieurwesen untersucht, wie sich Baustoff-Ressourcen schonen lassen.
Gips ist im Bauwesen kaum wegzudenken, denn der Sektor verbraucht davon jährlich rund zehn Millionen Tonnen. In Zukunft kommen jedoch große Versorgungslücken auf die Branche zu. Eine Rohstoffquelle ist das Recycling, das bisher kaum Anwendung findet. Wojciech Walica untersucht daher in seiner Promotion die Recyclingfähigkeit von Gipskartonplatten am Fachbereich Bauingenieurwesen der FH Münster im Institut für Infrastruktur - Wasser - Ressourcen - Umwelt (IWARU). Gemeinsam mit dem Praxispartner Lindner NORIT GmbH & Co. KG prüft der Promovend, ob die Bestandteile von Gipskartonplatten – Gips und Papier – für die Produktion von Gipsfaserplatten verwertet werden können. Walica promoviert im Forschungskolleg Verbund.NRW und wird von Prof. Dr. Sabine Flamme betreut.
Derzeit wird etwa die Hälfte des benötigten Gipses in Steinbrüchen abgebaut. Die andere Hälfte stammt aus der Braunkohleverstromung: In den Kraftwerken, genauer in den Rauchgasentschwefelungsanlagen, entsteht der sogenannte REA-Gips bei der Rauchgasreinigung. „Diese Rohstoffquelle fällt weg, wenn in absehbarer Zeit die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Gips wird knapper, der Preis dafür steigt“, erklärt Walica. „Gips zu recyceln wurde bisher stiefmütterlich behandelt, da genug Gips vorhanden war und gipshaltige Abfälle günstig entsorgt werden konnten. Derzeit werden nur etwa fünf bis zehn Prozent der gipshaltigen Abfälle recycelt.“ Der Rest lande auf Halden und Deponien im In- und Ausland. Etwa 600.000 Tonnen gipshaltige Abfälle fallen pro Jahr an, rund die Hälfte wäre recyclingfähig.
Für den Bau von Gebäuden kommen häufig Gipskartonplatten zum Einsatz – ein Gipskern ummantelt mit Papier. Das Recycling bisher: Die Gipsfraktion kann wiederverwertet werden, am Karton bleiben jedoch Gipsreste haften. Daher könne die Papierindustrie den Karton nicht verwenden und die Kartonreste werden meist verbrannt. „In meiner Promotion untersuche ich ein Verfahren, mit dem sich die kompletten Platten wiederverwerten lassen. Dabei prüfe ich, welchen Einfluss die recycelten Materialien auf die Qualität des Produktes, also auf die Gipsfaserplatte, haben“, erklärt der Entsorgungsingenieur. Walica arbeitet dafür mit der Firma Lindner zusammen, einem von zwei Praxispartnern des Forschungskollegs Verbund.NRW. Die Firma Lindner stellt die Gipsfaserplatten probeweise mit verschiedenen Ausgangsmaterialien her – in einem Werk in Dettelbach bei Würzburg. Walica untersucht die Rezyklatplatten: Wie hoch ist die Festigkeit? Beeinflusst der Recyclingprozess die Materialqualität und lassen sich die Platten mehrmals recyceln? „Damit sich Gips wieder formen lässt, muss ihm zunächst Wasser entzogen werden. Dafür muss dieser kalziniert, das heißt, bei hoher Temperatur getrocknet werden. Bisher ist die gemeinsame Trocknung von Gips und Papier wenig untersucht.“
Um seine Untersuchungen durchzuführen, ist Walica viel unterwegs – oftmals beim Praxispartner in Bayern oder in verschiedenen Laboren in Kooperation wie der Mineralogie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster oder am Fachbereich Chemieingenieurwesen der FH Münster. „Das erfordert viel Organisation“, so Walica. „Was mir an der Promotion besonders gefällt, ist die Relevanz des Themas sowie der Praxisbezug und damit die Möglichkeit, einen konkreten Beitrag zur Ressourcenschonung leisten zu können.“ Denn die Firma Lindner möchte das Recyclingverfahren zukünftig in großem Maßstab anwenden. Walicas Untersuchungen geben so eine Entscheidungsgrundlage für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens.
Zum Thema: Im Forschungskolleg Verbund.NRW, einem vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten Graduiertenkolleg, widmet sich ein interdisziplinäres Team der RWTH Aachen University und der FH Münster der Ressourceneffizienz im Bauwesen. Nach einer ersten Kohorte promovieren seit Beginn 2021 elf weitere Wissenschaftler*innen im Kolleg – darunter auch Wojciech Walica.
Zum Thema: Der Schutz des globalen Klimas und der natürlichen Lebensgrundlagen stellt die Gesellschaft vor gravierende Herausforderungen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Prognosen etwa zur fortschreitenden Klimaveränderung und zur akuten Gefährdung der Biodiversität unterstreichen deren zunehmende Dringlichkeit. Erforderlich sind grundlegende Veränderungen der menschlichen Lebens- und Wirtschaftsweise hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die FH Münster hat das Themenfeld Nachhaltigkeit daher in ihrem aktuellen Hochschulentwicklungsplan als zukünftige Herausforderung adressiert. Als Hochschule für angewandte Wissenschaften ist sie Wegbereiterin und Motor erforderlicher Veränderungen, indem sie das facettenreiche Konzept der Nachhaltigkeit in ihre Bildungsangebote und Projekte in allen Fachbereichen integriert. Themen und Entwicklungen betrachtet die Hochschule jeweils ganzheitlich hinsichtlich ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Implikationen und hat dabei die Interessen gegenwärtiger und künftiger Generationen interdisziplinär im Blick. „Nachhaltig zusammen“ lautet deshalb auch das Jahresmotto der FH Münster. Vom 23. Mai bis 3. Juni stellt die Hochschule vielfältige Aktivitäten und Projekte in diesem Themenfeld vor.
Quelle: www.fh-muenster.de