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Foto: Ingo Bartussek/AdobeStock

Von Viktor Miruchna | Projektmanager | Kreislaufwirtschaft | Deutsche Umwelthilfe

Um die Baubranche nachhaltig zu gestalten, müssen innovative Ansätze zum Standard werden.

Die Deutsche Umwelthilfe stellt richtungsweisende Lösungen vor und erklärt, welche politischen Maßnahmen die kommende Bundesregierung für die notwendige Bauwende umsetzen muss.

Der Gebäudesektor ist und bleibt ein Klima-Sorgenkind. Denn rund 35 Prozent des Energieverbrauchs und etwa ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen kommen laut Umweltbundesamt alleine aus der Baubranche. Klar ist, für den Klimaschutz muss insgesamt viel mehr gedämmt werden. Nur so können die Klimaziele im Gebäudebereich noch erreicht werden. Die für die Produktion von Dämmstoffen nötige Energie wird durch Einsparungen im Gebäudebetrieb in der Regel bereits nach wenigen Monaten wieder eingespart. Gleichzeitig muss die Verwendung von Ersatz- und Recyclingbaustoffen weitaus mehr als bisher gefördert werden. Denn durch verstärkte Nutzung von kreislauffähigen und ressourcenschonenden Ansätzen können weitere Umweltschutzpotentiale realisiert und die Graue Energie von Baustoffen reduziert werden.

Der Bedarf an Dämmmaterial wird angesichts der benötigten Gebäudesanierungen und strengeren Effizienzvorgaben künftig deutlich steigen. Aktuell liegt der Bedarf bei circa zwei Millionen Tonnen pro Jahr. Aber gleichzeitig werden bereits jetzt jedes Jahr über 200.000 Tonnen Dämmstoffe aus dem Rückbau überwiegend deponiert und verbrannt, beschreibt eine Studie zur Lebenszyklusanalyse von Wohngebäuden. Obwohl bei fast allen Dämmstoffen ein stoffliches Recycling prinzipiell möglich ist, erfolgt es in der Praxis aus vielerlei Gründen meist nicht. Durch die Verbrennung und Deponierung werden somit hochwertige Materialien zerstört und große Mengen CO2 freigesetzt, die das Klima belasten.

Im Rahmen des durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekts „Innovationen Wärmedämmung“ hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine 90-seitige Informationsbroschüre für Praktiker:innen erstellt. Diese stellt besonders umweltrelevante und innovative Ansätze zur Gebäudedämmung in Form von Steckbriefen vor und bewertet diese. Weiter wurden durch den intensiven Austausch mit Expert:innen aus der Branche politische Handlungsempfehlungen hin zu einer umweltfreundlichen und kreislauffähigen Bauwende erarbeitet. Im Folgenden gehen wir auf einige Innovationen im Recycling von Bau- und Dämmstoffen ein.

Neuartige Recyclingverfahren, Dämmstoff aus Rezyklaten und neue Rücknahmesysteme

Die Verwendung von Recyclingmaterial für die Produktion von Dämmstoffen ist noch relativ selten. Aber das Technologies Design and Materials European Research Centre (CETMA) und 12 weitere internationalen Partnerinstituten haben ein Konzept zur Wiederverwendung, Wiederverwertung, Vorfertigung und Sanierung von Altholz unter anderem als Dämmstoff in Holzfaserplatten entwickelt. Auch aus alten Jutesäcken, die sonst thermisch verwertet werden, kann recycelter Naturdämmstoff hergestellt werden, wie die Firma HempFlex Solutions GmbH zeigen konnte.

Um das komplexe und zugleich hochrelevante Thema der Verwertung und Entsorgung von Polystyrol-Dämmstoffabfällen anzugehen, haben sich unterschiedliche Akteure zusammengetan. So hat das Konsortium ‚Polystyreneloop‘ im Juni 2021 eine erste Demonstrationsanlage in Terneuzen (NL) in Betrieb genommen, mit der, EPS-Abfälle auch noch werkstofflich recycelt werden können, wenn sie mit dem Brandschutzmittel HBCD belastetet sind. Bislang durften diese Dämmstoffe nach der EU Chemikalienverordnung REACH sonst nur thermisch verwertet werden. Die Pilotanlage ermöglicht es erstmalig, Flammschutzmittel und andere Additive auszuschleusen und das Polystyrol sortenrein zurückzugewinnen.

Bei der Alternativnutzung von Recyclingmaterialien gibt es auch einen vielversprechenden Ansatz. Für Polyurethan (PU) – das bislang nur durch aufwändige chemische Aufbereitung wieder zu neuem Dämmstoff recycelt werden kann – hat die Firma puren GmbH ein Klebepressverfahren entwickelt, mit dem PU-Reste zu einem multifunktionalen Werkstoff verarbeitet werden können. Dieser lässt sich wie Pressholz verwenden, hat dabei aber bessere Dämmeigenschaften. Die Fertigung ist bereits in mehreren Produktionsanlagen mit einer Kapazität von mehreren tausend Tonnen pro Jahr möglich.

Während die Rücknahme von Dämmstoffen aus dem Abriss noch die absolute Ausnahme ist, werden bereits Rücknahmesysteme für Baustellenverschnitte angeboten. Denn die Verschnitte sind in der Regel kaum verunreinigt und können vergleichsweise einfach recycelt werden. Zum einen haben sich neun Hersteller für ein EPS Rücknahmesystem zusammengeschlossen und zum anderen wurden für Mineralwoll-Dämmstoffe die Rücknahme- und Recyclingsysteme Rockcycle (Deutsche Rockwool) und Isover Return (Saint-Gobain Isover) aufgebaut.

Die vollen Steckbriefe und ihre Bewertung sowie weiteren Innovationen zur Materialherstellung, Bau, Rückbau und Sanierung finden Sie in unserer Informationsbroschüre für Praktiker:innen.

Politische Handlungsempfehlungen hin zum Bau- und Dämmstoffkreislauf sind umsetzbar

Grundvoraussetzung für die effektive Schaffung recyclingfähiger Stoffströme ist die sortenreine Trennung von Bau- und Dämmstoffen. Leider wird diese meist missachtet, obwohl der Vollzug bereits in der Gewerbeabfallverordnung festgeschriebenen ist. Ein strenges Entgegenwirken würde an dieser Stelle zu mehr verwertbaren Stoffströmen führen. Auch eine verpflichtende Bauteilsichtung vor jedem Rückbau und jeder größeren Sanierung könnte wertvolle Materialien vor der Deponierung oder energetischen Verwertung retten.  

Erweiterte Herstellerverantwortungen auch für Bauprodukte

Auch eine erweiterte Herstellerverantwortung, wie sie EU-weit beispielsweise für Batterien, Verpackungen und Elektrogeräte sowie in Frankreich ab dem 1. Januar 2022 für Baustoffe gilt, könnte viele Herausforderungen lösen. So sollten Hersteller von Dämmstoffen dazu verpflichtet werden, für Transport und Entsorgung ihrer Produkte am Ende des Lebenszyklus Sorge zu tragen und die daraus entstehenden Kosten zu übernehmen. Dies würde die Hersteller dazu anhalten, Innovationen auf den Markt zu bringen, bei denen das Lebenszyklusende bereits mitberücksichtigt wird.

Wenn die Entsorgungskosten für Dämmstoffe bereits beim Kauf eingepreist sind, verursacht die Entsorgung getrennt erfasster Dämmstoffabfälle nach dem Rückbau keine Zusatzkosten. Dies setzt starke Anreize für Bauherr:innen, auf eine sortenreine Trennung der rückgebauten Materialien zu achten.

Weiter könnten eine Nachweispflicht über die Recyclingfähigkeit und Schadstofffreiheit von Dämmstoffen, materialspezifische Sammelpflichten für die Hersteller von Bau- und Dämmstoffen und eine Recyclingquote für Dämmstoffe effektive Werkzeuge hin zur kreislauffähigen Bauwende sein.

Nur durch ambitioniertes Handeln können wir einen klimaneutralen Gebäudebestand rechtzeitig erreichen

Zusammengefasst müssen wir die Wärmedämmung von Gebäuden entschieden verstärken und gleichzeitig Innovation hin zur kreislauffähigen und ressourcenschonenden Bauwende fördern. Denn nur durch ambitioniertes Handeln können wir unsere Klimaziele noch erreichen und Ressourcen sowie die Umwelt nachhaltig schützen.

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