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Unnötig lange Transportwege belasten die Umwelt - Deponien der Klasse 1 bleiben Mangelware, zeigt der Artikel der IHK Niedersachsen im "Fokus Niedersachsen"

Auf einer Deponie werden Abfälle langfristig abgelagert. Dabei wird zwischen solchen, die mit sehr geringem organischem Anteil auf einer Deponie der Klasse 1 (DK I), und solchen, die mit geringem organischem Anteil auf einer Deponie der Klasse 2 (DK II) zu entsorgen sind, unterschieden. Die Deponien der Klasse 2 vertragen höhere Schadstoffbelastungen als die der Deponien der Klasse 1, sind deswegen teurer und im Hinblick auf die „Entsorgungswirkung“ höherwertig. Demgemäß ist die Entsorgung von Abfällen auf einer Deponie der Klasse 1 wirtschaftlich günstiger.

Die Deponiekapazitäten der Klasse 1 sind in Niedersachsen jedoch höchst ungleich verteilt. Eine Folge davon sind unnötig lange Transportwege und damit verbunden vermeidbare Lärm- und Schadstoff-Emissionen.

Eine andere, nicht weniger bedenkliche Folge ist: Die Entsorgung auf näher gelegenen Deponien der Klasse 2 raubt höherwertigen Deponieraum und treibt die Kosten in die Höhe.

Verschärfung von Standards im Jahr 2009 war eine Zäsur und wirkt bis heute

Die derzeitige Verknappung der Deponiekapazitäten ist die Folge einer Verschärfung von Standards durch die europäische Deponierichtlinie. Zum Stichtag 15. Juli 2009 waren in Niedersachsen alle Deponien zu schließen, die nicht die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllten. Von den damaligen 69 Boden- und Bauschuttdeponien der Klasse 1 standen in Niedersachsen nach Umsetzung des Schließungsprogramms nur noch neun öffentlich zugängliche Deponien zur Verfügung. Diese Lücke ist bis heute nicht gefüllt worden – aktuell sind acht Deponien der Klasse 1 in Betrieb und ein Neubauvorhaben ist genehmigt.

Pro Jahr fallen in Niedersachsen rund eine Million Tonnen an schwach belasteten mineralischen Abfällen an. Dabei handelt es sich vorwiegend um Bauschutt und Bodenaushub, wie er bei Abriss und Neuerrichtung von Bauten jeglicher Art anfällt. Für deren Entsorgung sind Deponien der Klasse 1 (DK I) bestimmt.

Die vorhandenen DK-I-Restkapazitäten betrugen nach Angaben des Niedersächsischen Umweltministeriums Ende 2016 (letzte verfügbare Zahlen) alarmierende zwei Millionen Tonnen. Berücksichtigt man aber auch die bereits bestandskräftig genehmigten Deponieerweiterungen, würde sich das verfügbare Volumen auf über 14 Millionen Tonnen erhöhen. Von dieser möglichen Gesamtkapazität her betrachtet, hätte sich Niedersachsen damit in wenigen Jahren vom Sorgenkind zum Musterschüler entwickelt.

Aber: An der regional unausgewogenen Verteilung im Land werden auch die geplanten Vorhaben wenig ändern. Denn: Eine Genehmigung garantiert noch nicht, dass die Deponie auch tatsächlich gebaut wird.

Aus gutem Grund sind laut Landesraumordnungsprogramm (LROP) in allen Teilen Niedersachsens „unter Beachtung des Prinzips der Nähe“ ausreichende Deponiekapazitäten „zu sichern und bei Bedarf festzulegen“. Ein „besonderer Bedarf hinsichtlich der Deponiekapazitäten“ besteht gemäß LROP grundsätzlich dort, „wo eine Deponie der Klasse 1 weiter als 35 km vom Ort des Abfallaufkommens entfernt ist“ oder wo bei bestehenden Deponien die Restlaufzeit weniger als fünf Jahre beträgt.

Tatsächlich klaffen die rein rechnerische Versorgung und die innerhalb einer Wegstrecke von 35 km erreichbare Versorgungskapazität weit auseinander. Um dies zu verdeutlichen ist in der folgenden Darstellung um alle bestehenden und bestandskräftig geplanten DK-I-Standorte ein 35-km-Radius gezogen, wie ihn das LROP grundsätzlich vorgibt.

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Quelle: IHKN, 2016 FOKUS NIEDERSACHSEN AUGUST 2018

Aus dieser Darstellung kann man ersehen: es gibt regionale Konzentrationen von Deponien der Klasse 1 und große Lücken in der Fläche. Aufgrund dieser Tatsache erscheint es für die wirtschaftliche Betrachtung praxistauglicher, auf die Fahrzeiten abzustellen, in denen ein Lkw die nächstgelegene Deponie erreichen kann.

Legt man diese zugrunde, so zeigt sich: In weiten Teilen des Landes kann ein Fahrer pro Arbeitstag maximal eine Tour schaffen, weil er teilweise für Hin- und Rückfahrt zusammen über vier Stunden benötigt.

Gesetzesänderungen erhöhen Deponiebedarf

Zu dieser ungleichen Verteilung kommt ein weiteres Problem: Bislang landen nur etwa zehn Prozent der mineralischen Massenabfälle überhaupt auf Deponien. Der Rest findet aufgrund seiner guten bauphysikalischen Eigenschaften Verwendung als Ersatzbaustoff beispielsweise im Straßenbau. Doch das könnte sich durch die Verschärfung gleich mehrerer Gesetze und Verordnungen ändern, sodass künftig mehr dieser sehr gering belasteten Abfälle auf Deponien verbracht werden müssen.

Im Mai 2017 hat das Bundeskabinett die Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz beschlossen, die bislang noch nicht in Kraft getreten ist. Sie umfasst neben einer gänzlich neuen Ersatzbaustoffverordnung auch eine Verschärfung der Bundes-Bodenschutz-und Altlastenverordnung sowie eine Änderungen der Deponieverordnung.

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Diese Verordnung legt für die Verwendung als Ersatzbaustoffe Grenzwerte für bestimmte Schadstoffe fest, deren Einhaltung durch den Hersteller zu gewährleisten ist. Je nach Belastung können daraus Vorgaben für die Einbauweise resultieren, die vom Verwender beim Einbau entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zu beachten sind. So sollen der Eintrag von Schadstoffen durch Sickerwasser begrenzt und Verunreinigungen ausgeschlossen werden.

Noch ist unklar, wie sich dies auf den Deponiebedarf konkret auswirken wird. Klar ist aber, dass die Verwendung als Ersatzbaustoff anspruchsvoller und für den Unternehmer aufwendiger wird. Während das Bundesumweltministerium sich davon eine bessere Akzeptanz von Ersatzbaustoffen erhofft, warnt die Bundesgütegemeinschaft Recycling-Baustoffe e. V. vor einer Verschiebung der Stoffströme hin zur Deponie.

Deponieprojekte ringen um Akzeptanz

Eine weitere Schwierigkeit besteht in der mangelnden Akzeptanz vor Ort. In der Westhälfte des Landes, insbesondere im Nordwesten und im Bremer Umland, besteht nach wie vor großer Bedarf für Deponien der Klasse 1.

Trotz dieses Bedarfs stoßen dort seit Jahren mehrere Deponieprojekte auf den Widerstand von Bevölkerung und Naturschützern. In Haaßel im Landkreis Rotenburg (Wümme) und in Großenkneten (Landkreis Oldenburg) wurden zudem zwei Projekte durch Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg gestoppt. Den Entscheidungen lagen weniger Mängel am ausgewählten Standort zugrunde.

Das Gericht monierte vielmehr, dass nicht ausreichend geprüft würde, ob andere Standorte noch besser geeignet sein könnten. Durch solche Anforderungen wird die Messlatte für private Investoren, die nicht uneingeschränkt Zugriff auf alternative Flächen haben können, in nahezu unerreichbare Höhen gelegt.

Auch Planungsrecht spielt eine Rolle: teilweise weisen Kommunen in der Nähe zu privat geplanten Deponiestandorten neue Naherholungsgebiete aus. Die Genehmigung einer benötigten Deponie wird damit weder beschleunigt noch wahrscheinlicher.

Insbesondere Bautätigkeiten verursachen die Abfuhr und Verbringung von Abfall auf Deponien. Die aus dieser Notwenigkeit erwachsenden Konsequenzen sind vielerorts nicht erwünscht. Viele sind nicht mehr bereit, den regelmäßigen Schwerlastverkehr zu Deponien in ihrer Nähe zu dulden. Dagegen finden die ansteigenden Verkehre zu entfernten Deponien Akzeptanz, auch wenn sich die dadurch verursachten Belastungen für die Bevölkerung insgesamt erhöhen.

Nur eben woanders. Das Sankt-Floriansprinzip führt insoweit zu bedenklichen Konsequenzen.

Was ist zu tun?

Wachsamkeit

Das Umweltministerium veröffentlicht in der jährlich erscheinenden Abfallbilanz Niedersachsen u.a. Deponiestandorte und deren Kapazitäten. Darauf aufbauend schlägt die IHK Niedersachsen ein „Deponiebarometer Niedersachsen“ vor, das jährlich Restkapazitäten, Verbrauch und rechtskräftig genehmigte Erweiterungen fortschreibt. So wäre ein erneuter Rückgang der Kapazitäten frühzeitig zu erkennen.

Flächen sichern

Das Landesraumordnungsprogramm (LROP) setzt die Kommunen in die Pflicht, Flächen zu sichern, auszuweisen und Deponien zu realisieren. Hier sind Kommunen umso stärker gefordert, je größer die Entfernung zu bestehenden Deponien ist.

Vorgaben durchsetzen

Das Land als Fach- bzw. Kommunalaufsicht kann bei Bedarf gemeinsam mit den Landkreisen auf die Erfüllung der Auflagen des LROP hinwirken. Diese Aufgabe sollte das Land mit Weitblick wahrnehmen, auch wenn mit Widerstand zu rechnen ist.

Fairen Wettbewerb schaffen

Private Entsorger müssen Zugang zu entscheidungsrelevanten Informationen zu denselben Konditionen erhalten, wie ihre öffentlich-rechtlichen Mitbewerber. Hierzu gehören u.a. Daten zu potenziell besser geeigneten Alternativstandorten. Die oben genannten OVG-Entscheidungen machen dies zwingend erforderlich.

Ersatzbaustoffe verwenden

Die öffentliche Hand sollte ihre Bauvorhaben produktneutral ausschreiben und auf vertragliche Vorgaben zur ausschließlichen Verwendung von Naturprodukten verzichten. Der Einsatz von Ersatzbaustoffen und recycelten Abfällen reduziert den Deponiebedarf.

Einführung der gebundenen Entscheidung prüfen

Das Baurecht und das Immissionsschutzrecht kennen die gebundene Entscheidung, das heißt, ein Vorhaben ist zwingend zu genehmigen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Wenn sich die regionalen Engpässe anders nicht beheben lassen, könnte die gebundene Entscheidung private Investoren absichern. Für die Abfallentsorgung gelten nämlich Spezialgesetze, die keine gebundene Entscheidung kennen.

Quelle: https://www.ihk-n.de08 13 IHK Screen

Die IHK Niedersachsen ist die Landesarbeitsgemeinschaft der IHK Braunschweig, IHK Hannover, IHK Lüneburg-Wolfsburg, Oldenburgischen IHK, IHK Osnabrück -Emsland -Grafschaft Bentheim, IHK für Ostfriesland und Papenburg sowie IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum. Sie vertritt rund 460.000 gewerbliche Unternehmen gegenüber Politik und Verwaltung.

Der Fokus Niedersachsen erscheint in regelmäßigen Abständen zu aktuellen Themen aus Wirtschaft und Politik und steht unter www.ihk-n.de/Publikationen auch zum Download zur Verfügung.

 

 

 

 

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