Ein Treffen des bvse-Fachverbands Akten- und Datenträgervernichtung mit Präsentation der komplexen Herausforderungen des Löschens – und der im Fachverband erarbeiteten Ergebnisse, wie man Datenträger sicher und nachhaltig vernichten und verwerten kann.
„Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen haben zu einem deutlichen Anstieg kundenseitiger Sicherheitsanforderungen geführt“, berichtete Martin Dinier, Vorsitzender des bvse-Fachverbands Akten- und Datenträgervernichtung, zur Eröffnung der Mitgliederversammlung in Bad Gögging.
Es war daher kein Zufall, dass Gerhard Friederici von der Rhenus Data Office GmbH mit seinem Vortrag über die „Kultur des Löschens“ in Unternehmen, Behörden und Organisationen auf großes Interesse stieß. Denn bei personenbezogenen Daten gilt ein klarer rechtlicher Rahmen: Der Betroffene hat grundsätzlich ein Recht auf Löschung, und das Unternehmen ist verpflichtet, dieser Löschung nachzukommen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) definiert in Artikel 17 das sogenannte „Recht auf Löschung“ oder „Recht auf Vergessenwerden“.
Löschkonzepte schaffen Rechtssicherheit und Effizienz
Personenbezogene Daten müssen demnach gelöscht werden, sobald sie für den ursprünglichen Zweck ihrer Verarbeitung nicht mehr erforderlich sind, eine Einwilligung widerrufen wurde oder andere rechtliche Gründe einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Während viele Unternehmen strukturierte Prozesse zur Datenspeicherung und -sicherung etabliert haben, fehlen häufig klare Regeln für den letzten Schritt im Datenlebenszyklus – die Löschung. Ein großer Fehler, denn intelligentes Löschen sorgt für effizientere Datenbestände, reduziert Speicher- und Verwaltungskosten und minimiert Sicherheitsrisiken durch veraltete oder ungenutzte Datensätze.
Unternehmen behalten so den Überblick über ihre Daten, verarbeiten nur das, was tatsächlich erforderlich ist, und stärken damit das Vertrauen von Kundinnen, Kunden und Mitarbeitenden. Friederici brachte es auf den Punkt: „Wer ein Löschkonzept hat, ist klar im Vorteil.“
Ein Löschkonzept beschreibt systematisch, welche personenbezogenen Daten im Unternehmen gespeichert werden, zu welchem Zweck sie verarbeitet werden, wie lange sie aufbewahrt werden dürfen und wann sie zu löschen sind. Es legt außerdem fest, wer die Verantwortung für die Durchführung der Löschung trägt und wie diese dokumentiert wird. Darüber hinaus schützt ein Löschkonzept Unternehmen vor erheblichen Risiken. Fehlende oder verspätete Löschungen können zu Datenschutzverstößen führen – mit empfindlichen Bußgeldern und Reputationsschäden als mögliche Folge, wie Gerhard Friederici betonte.
Zwischen Sicherheit und Verwertbarkeit – die richtige Balance finden
Während manche Verantwortliche allerdings zu sorglos mit personenbezogenen Daten umgehen, zeigen sich andere übervorsichtig und verlangen immer höhere Sicherheitsstufen bei der Vernichtung von Datenträgern. Diese Anforderungen entstehen teils aus berechtigter Sorge, teils aber auch – so die Einschätzung vieler Akten- und Datenträgervernichtungsbetriebe – aus überzogenen Vorsichtsmaßnahmen.
„In der Praxis würde häufig bereits eine zuverlässige Vernichtung im Bereich mittlerer Sicherheitsstufen, also der Stufen 3 bis 4, vollkommen ausreichen“, erläuterte bvse-Fachverbandsvorsitzender Martin Dinier und gab zu bedenken, dass eine Vernichtung nach höheren Sicherheitsstufen die Verwertbarkeit des Materials erheblich beeinträchtige: „Die bei Sicherheitsstufe 7 entstehenden Papierfasern sind so kurz, dass sie stofflich nicht mehr verwertet werden können.“
Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der bvse-Mitgliederversammlung stand daher außer Frage, dass auch die Akten- und Datenträgervernichtung unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachtet werden muss. Schließlich gewinnt nachhaltiges Wirtschaften für immer mehr Betriebe – und damit auch für deren Auftraggebende – an Bedeutung. Die Branche steht somit vor der Aufgabe, Sicherheitsanforderungen und Nachhaltigkeitsziele in Einklang zu bringen.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen eigene Anstrengungen in Bereichen wie Fuhrparkmanagement, Routenoptimierung und Energieverbrauch nicht nur erkannt, sondern als fester Bestandteil betrieblicher Prozesse etabliert werden.
Vor diesem Hintergrund hat der bvse-Fachverband Akten- und Datenträgervernichtung einen Entwurf für eine Nachhaltigkeitsnorm auf Basis der ISO 21964 erarbeitet. Ziel dieses Entwurfs ist es, kundenseitige Anforderungen im Bereich Sicherheit und Nachhaltigkeit in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen und zugleich nachhaltige Maßnahmen in den Betrieben zu verankern. Einerseits sollen überhöhte Anforderungen bei der Auswahl von Sicherheitsstufen vermieden und elektronische Datenträger nur dann zerstört werden, wenn Löschung und Wiederverwendbarkeit ausgeschlossen sind. Andererseits sollen Energieverbräuche und CO₂-Emissionen systematisch erfasst und ausgewertet werden, um Anreize für den Einsatz klimafreundlicher Technologien zu schaffen. Einen wichtigen Beitrag leisten dabei auch Schulungsmaßnahmen für Mitarbeitende, die das Bewusstsein und die Kompetenz für nachhaltiges Handeln fördern.
Sicherheit trifft Nachhaltigkeit – ein neuer Branchenstandard
Der Entwurf der Norm basiert auf zwei zentralen Grundsätzen. Erstens soll ein fairer Interessenausgleich zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit gewährleistet werden. Bei der Auswahl der Sicherheitsstufen ist stets auf ein angemessenes Verhältnis zwischen Datenschutz und Verwertbarkeit zu achten. Zweitens gilt der Grundsatz „Wiederverwendung vor Vernichtung“: Bevor elektronische oder sonstige Informationsträger zerstört werden, ist zu prüfen, ob eine datenschutzkonforme Wiederverwendung möglich ist.
Die Norm unterscheidet zwischen dem indirekten Einfluss durch kundenseitige Entscheidungen und dem direkten Einfluss innerhalb der Betriebe. Kundenseitig sollen Akten- und Datenträgervernichtungsunternehmen künftig verstärkt beratend tätig werden. Ziel ist es, gemeinsam mit den Auftraggebenden angemessene Sicherheitsstufen zu definieren, überzogene Anforderungen zu vermeiden und dadurch die Verwertbarkeit der Materialien zu sichern. Eine getrennte Erfassung der Fraktionen kann die Recyclingqualität deutlich verbessern, während gleichzeitig eine Wiederverwendbarkeit der Materialkategorien H und E ausgeschlossen wird. Auch die Optimierung der Behälterauslastung in enger Abstimmung mit den Kunden trägt zu mehr Effizienz und Ressourcenschonung bei.
Innerhalb der Betriebe liegt der Fokus auf der systematischen Erfassung von Energieverbräuchen und CO₂-Emissionen – sowohl im laufenden Betrieb als auch im Fuhrpark. Die gewonnenen Daten sollen Anreize schaffen, klimafreundliche Technologien einzusetzen und unnötige Fahrten zu vermeiden, etwa durch optimierte Abholrhythmen, angepasste Behältergrößen und eine effizientere Tourenplanung. Dabei handelt es sich bewusst nicht um verpflichtende Vorgaben, sondern um praxisnahe Empfehlungen, die zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung beitragen können.
Ebenso wichtig ist, dass Datenträger stets gemäß der tatsächlich erforderlichen Sicherheitsstufe behandelt und nicht übermäßig zerstört werden. Neben ökologischen Gesichtspunkten berücksichtigt die Norm auch soziale Nachhaltigkeit: Die Ermittlung der Mitarbeiterzufriedenheit sowie gezielte Schulungsmaßnahmen fördern Motivation, Verantwortungsbewusstsein und langfristige Mitarbeiterbindung.