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Zur prekären Situation des Reifenrecyclings in Deutschland äußert sich Bernd Franken, bvse-Vizepräsident und Vorsitzender des Fachverbandes Recycling von Reifen & Gummi in folgendem Interview in bemerkenswerter Offenheit.

Er kritisiert, dass die Reifenindustrie nach wie vor PAK belastete Ruße für die Herstellung von Reifen nutzt und so das Altreifenrecycling massiv gefährdet wird. Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind nach Aussage des Umweltbundesamtes für Mensch und Umweltorganismen eine besorgniserregende Stoffgruppe. Viele PAK, so das UBA, haben krebserregende, erbgutverändernde und/oder fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften (Crone and Tolstoy, 2010).

Herr Franken, das Reifenrecycling ist in Deutschland gut etabliert. Und dabei werden die unterschiedlichsten Recyclingalternativen erfolgreich genutzt. Was ist der aktuelle Stand?

Bernd Franken: Dem Eindruck, dass das Reifenrecycling in Deutschland gut aufgestellt ist, muss ich leider deutlich widersprechen. Der aktuelle Stand zeigt, dass der gesamte Bereich der Granulierung von Altreifen stark gefährdet ist. Gerade die werkstoffliche Nutzung der Gummibestandteile droht in großen Teilen wegzubrechen. Sollte dieser Absatzweg aufgrund neuer stoffrechtlicher Vorgaben entfallen, sind davon bis zu 230.000 Tonnen an Reifen betroffen.

Was genau verursacht denn die Hemmnisse bei der werkstofflichen Verwertung? Kann man die Hemmnisse nicht umgehen?

Bernd Franken: Um es ganz klar zu sagen, die Verursacher der Problematik sind die Reifenhersteller – die Reifenhersteller alleine! Reifenhersteller verwenden seit Jahren hochbelastete Ruße. Die Ruße sind mit giftigen Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen, kurz PAK, so sehr belastet, dass die vorgegebenen Grenzwerte in Recyclingprodukten immer wieder überschritten werden. Und das Besondere an der bestehenden Situation ist, dass die Reifenhersteller kein Interesse haben, diese Situation zu verändern. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Reifenhersteller scheren sich nicht um Kreislaufwirtschaft und verweigern sich dem längst überfälligen Design for Recycling. Es werden hier bewusst Produkte in den Markt gebracht, die nicht mehr recyclingfähig sind. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.

Die PAK-Grenzwerte sollen auch noch weiter verschärft werden. Ist das nun das Aus für die Altreifenrecycler?

Bernd Franken: In der Tat. Wenn es zur geplanten Verschärfung der Grenzwerte kommt, haben Reifenverwerter und Granulierbetriebe kaum noch eine Chance, umweltgerechte Gummigranulate herzustellen. Im Sinne von Ökodesign und Produktverantwortung ist das absurd.

Wenn die chemikalienrechtlichen Vorgaben verschärft werden, bleibt doch wohl nur noch die thermische Verwertung als Alternative?

Bernd Franken: Das kann nicht die Lösung sein! Zur Erinnerung: Im Jahr 2019 haben EU-Kommission und EU-Parlament den Umbau zur Nachhaltigkeit beschlossen – Green Deal. Instrumente, um den Green Deal umzusetzen, sind die Ökodesignrichtlinie und die erweiterte Produktverantwortung (EPR). Und damit sind die Ziele ganz klar definiert: Mehr Recycling, um Rohstoffeffizienz und Energieeffizienz zu gewährleisten. Darüber hinaus trägt das Recycling entscheidend dazu bei, die Umweltbilanz der eingesetzten Stoffe zu verbessern.

Wie kann denn eine Lösung aussehen?

Bernd Franken: Die Reifenhersteller müssen zur Verantwortung gezogen und verpflichtet werden, nur noch Produkte in Umlauf zu bringen, die recyclingfähig sind.

Die thermische Nutzung bietet doch auch Potenzial – warum regen Sie sich denn so auf?

Bernd Franken: Weil die thermische Nutzung hinsichtlich Klimaschutz, Ressourcen- und Energieeffizienz ganz klar schlechter abschneidet als das werkstoffliche Recycling. Vonseiten der Recyclingunternehmen wurde einerseits in Techniken und Anlagen zur Herstellung von Gummigranulaten investiert und anderseits entstehen aus diesen Materialien hochwertige Produkte, die weltweiten Absatz finden. Stattdessen lässt man diejenigen Unternehmen, die in hochwertige Technologie am Standort Deutschland investiert haben, im Regen stehen. Wenn unser Ziel die Kreislaufwirtschaft ist, muss hier ganz schnell umgesteuert werden, sonst zieht das den Recyclern den Boden unter den Füßen weg. Im Ergebnis würde das Abfallexport in Staaten außerhalb der EU, besonders in die Türkei und nach Nordafrika, bedeuten, denn in Deutschland und Europa stehen nicht genügend Verbrennungskapazitäten zur Verfügung.

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