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Zu der Frage, ob Akten- und Datenträgervernichtungsbetriebe eine Zertifizierung als Erstbehandlungsanlage nach dem ElektroG benötigen. Von Rechtsanwalt Dr. Matthias Peine. Der Beitrag beruht auf einer Stellungnahme, die der Autor im Auftrag des bvse-Fachverbandes Akten-/Datenträgervernichtung gefertigt hat.

00 Dr. PeineDr. Matthias PeineNach Inkrafttreten des novellierten Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) im Oktober 2015 sehen sich Akten- und Datenträgervernichtungsbetriebe der Forderung von Behörden ausgesetzt, dass für ihre Tätigkeit eine Zertifizierung als Erstbehandlungsanlage nach dem ElektroG erforderlich sei.

Akten- und Datenträgervernichtungsbetriebe löschen die auf Datenträgern befindlichen Daten, indem sie diese schreddern oder sonstig behandeln. Das novellierte ElektroG regelt,dass dieErstbehandlung von Altgeräten ausschließlich durch zertifizierte Erstbehandlungsanlagen durchgeführt werden darf.Entscheidend ist somit, ob es sich bei den zu löschenden Datenträgern um Altgeräte handelt und ob der Löschungsvorgang eine Erstbehandlung darstellt.

Der vorliegende Beitrag geht diesen Fragen mit dem Ergebnis nach, dass eine Zertifizierung als Erstbehandlungsanlage nach dem ElektroG nicht erforderlich ist.

I. Problemdarstellung

Am 24.10.2015 ist das novellierte ElektroG in Kraft getreten.Das novellierte ElektroG enthält erstmals eine Definition des Begriffs „Erstbehandlung“, welche in § 3 Nr. 24 ElektroG geregelt ist. § 3 Nr. 24 ElektroG lautet wie folgt:

„Erstbehandlung: die erste Behandlung vonAltgeräten, bei der die Altgeräte zur Wiederverwendung vorbereitet oder von Schadstoffen entfrachtet und Wertstoffe aus den Altgeräten separiert werden, einschließlich hierauf bezogener Vorbereitungshandlungen; die Erstbehandlung umfasst auch die Verwertungsverfahren R 12 und R 13 nach Anlage 2 zum Kreislaufwirtschaftsgesetz; die zerstörungsfreie Entnahme von Lampen aus Altgeräten bei der Erfassung gilt nicht als Erstbehandlung; dies gilt auch für die zerstörungsfreie Entnahme von Altbatterien und Altakkumulatoren, die nicht vom Altgerät umschlossen sind.“

Die Definition des Begriffs „Erstbehandlung“ wird flankiert von Abschnitt 4 des ElektroG,welcher unter anderen die Behandlungs- und Verwertungspflichten regelt. Entscheidend sind vorliegend die §§ 20 und 21 ElektroG. § 20 ElektroG legt Anforderungen für die Behandlung und Beseitigung von Altgeräten und § 21 ElektroG für die Zertifizierung von Erstbehandlungsanlagen fest.

§ 20 Abs. 1 S. 1 ElektroG bestimmt, dass Altgeräte vor der Durchführungweiterer Verwertungs und Beseitigungsmaßnahmen einer Erstbehandlung zuzuführen sind. In § 21 Abs. 1 ElektroG heißt es weiter, dass die Erstbehandlung von Altgeräten ausschließlich durch zertifizierte Erstbehandlungsanlagen durchgeführt werden kann.

Datenträger werden regelmäßig zur Löschung der auf ihnen befindlichen Daten an darauf spezialisierte Akten- und Datenträgervernichtungsbetriebe übergeben, welche diese Datenträger zur endgültigen Löschung der auf ihnen befindlichen Daten schreddern oder sonstig behandeln. Im Anschluss an die Löschung der Daten wird das geschredderte/behandelte Material sodann an eine nach dem ElektroG zertifizierte Erstbehandlungsanlage übergeben.

Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass es sich bei der Löschung der auf den Datenträgern befindlichen Daten um eine Auftragsdatenverarbeitung i.S.v. § 11 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) handelt. Für diese enthält das BDSG spezielle Regelungen. Die Anforderungen, die das BDSG an die Löschung von Datenträgern stellt, wurden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum ElektroG nicht berücksichtigt. Insbesondere wurde der Fall, dass Elektro- oder Elektronikaltgeräte mit dem Ziel der Datenlöschung behandelt werden, nicht gesehen, obwohl dem Umgang mit personenbezogenen Daten eine immer größere Bedeutung zukommt.

Behörden, insbesondere im Freistaat Bayern, vertreten nunmehr teilweise die Auffassung, dass Anlagen zur Datenträgervernichtung zwecks Datenlöschung eine Zertifizierung als Erstbehandlungsanlage i.S.d. ElektroG benötigen. Die Frage, ob Anlagen, die Datenträger mit dem Ziel der Datenlöschung vernichten, eine Zertifizierung als Erstbehandlungsanlage nach dem ElektroG benötigen, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags.

II. Rechtliche Bewertung

Voraussetzung für die Zertifizierung als Erstbehandlungsanlage nach dem ElektroG ist zunächst, dass der Anwendungsbereich des ElektroG eröffnet ist. Sodann ist § 20 Abs. 1 S. 1 ElektroG entscheidend. Nach dieser Norm sind Altgeräte vor der Durchführungweiterer Verwertungs oder Beseitigungsmaßnahmen einer Erstbehandlung zuzuführen.

Es stellt sich daher zum einen die Frage, ob die zu löschenden Datenträger Altgeräte i.S.v. § 3 Nr. 3 ElektroG sind und zum anderen, ob das Schreddern oder sonstiges Behandeln der Datenträger zur Datenlöschung eine Erstbehandlung i.S.v. § 3 Nr. 24 ElektroG bzw. eine Behandlung i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG darstellt.

1. Eröffnung des Anwendungsbereichs des ElektroG

Gemäß § 2Abs. 1 S. 1 ElektroG gilt das ElektroG nur für Elektro- und Elektronikgeräte, die einer in § 2 ElektroG enthaltenen Kategorie zugeordnet werden können.1

Bei den zu löschenden Datenträgern müsste es sich daher um Elektro- und Elektronikgeräte handeln, welche unter eine der in § 2 Abs. 1 S. 1 ElektroG genannten Gerätekategorien fallen. § 3Nr. 1 ElektroG bestimmt, dass unter Elektro- und Elektronikgeräten folgende Geräte zu verstehen sind:

„Geräte, die für den Betrieb mit Wechselspannung von höchstens 1 000 Volt oder Gleichspannung von höchstens 1 500 Volt ausgelegt sind und a) zu ihrem ordnungsgemäßen Betrieb von elektrischen Strömen oder elektromagnetischen Feldern abhängig sind oder b) der Erzeugung, Übertragung und Messung von elektrischen Strömen und elektromagnetischen Feldern dienen.“

Aus den Gesetzgebungsunterlagen geht hervor, dass der Begriff des Elektro- und Elektronikgerätes mit Blick auf Sinn und Zweck derRegelungenweit auszulegen ist.2

Für die Einordnung der zu löschenden Datenträger als Elektro- und Elektronikgeräte ist auf § 3 Nr. 1 lit. a) ElektroG abzustellen. Entscheidend ist somit, ob die Datenträger zum ordnungsgemäßen Betrieb elektrischen Strom oder elektromagnetische Felder benötigen.3

Diese Voraussetzung kann für die zu löschenden Datenträger unproblematisch bejahtwerden, da Datenträger, wie etwa USB-Sticks und Festplatten, zum ordnungsgemäßen Betrieb elektrischen Strom benötigen. Auch dürften diese nicht die in § 3 Nr. 1 ElektroG geregelten Volt-Obergrenzen überschreiten. Bei den zu löschenden Datenträgern handelt es sich somit um Elektro- und Elektronikgeräte.

Sodann fallen die zu löschenden Datenträger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ElektroG unter die Gerätekategorie „Geräte der Informations- und Telekommunikationstechnik“. Beispielhaft werden die Geräte der Informations- und

Telekommunikationstechnik in Nr. 3 der Anlage 1 zumElektroG konkretisiert. Als Auffangtatbestand sind dort sonstige Produkte und Geräte zur Erfassung, Speicherung, Verarbeitung, Darstellung oderÜbermittlung von Informationen mit elektronischen Mitteln genannt.4

Darunter fallen jedenfalls auch Datenträger. Es ist somit festzuhalten, dass der Anwendungsbereich des ElektroG gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 1 ElektroG eröffnet ist.

2. Datenträger als Altgeräte i.S.v. § 3 Nr. 3 ElektroG

Gemäß § 3 Nr. 3 ElektroG sind Altgeräte Elektro- und Elektronikgeräte, die Abfall i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG sind, einschließlich aller Bauteile, Unterbaugruppen und Verbrauchsmaterialien, die zum Zeitpunkt des Eintritts der
Abfalleigenschaft Teil des Altgeräts sind.

Wie zuvor festgestellt, handelt es sich bei den zu löschenden Datenträgern umElektro- und Elektronikgeräte i.S.v. § 3 Nr. 1 ElektroG. Entscheidend für die Qualifikation der zu löschenden Datenträger als Altgerät ist somit die
Abfalleigenschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG sind Abfälle i.S.d. KrWG alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.

a. Entledigung i.S.v. § 3 Abs. 2 KrWG

Gemäß § 3 Abs. 2 KrWG ist eine Entledigung i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG anzunehmen, wenn der Besitzer Stoffe oder Gegenstände einer Verwertung i.S.d. Anlage 2 oder einer Beseitigung i.S.d. Anlage 1 zum KrWG zuführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unterWegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt.

Bezogen auf die Übergabe von Datenträgern an ein Unternehmen zum Zwecke der Datenlöschung ist zunächst festzuhalten, dass die Datenträgervernichtung zum Zwecke der Datenlöschung unter keines der in Anlage 1 oder 2 zum KrWG genannten Verfahren fällt. Der Besitzer führt daher die Datenträger nicht einer Verwertung i.S.d. Anlage 2 oder einer Beseitigung i.S.d. Anlage 1 zum KrWG zu.

Entscheidend für die Entledigung i.S.v. § 3 Abs. 2 KrWG ist somit, ob der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an den Datenträgern unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt. Zwar dürfte die Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft über die Datenträger imZeitpunkt der Übergabe dieser an ein Unternehmen zum Zwecke der Datenlöschung erfolgen, da in diesem Zeitpunkt der ursprüngliche Besitzer der Datenträger die Verfügungsgewalt über diese verliert. Insoweit kommt es allein im abfallrechtlichen Sinne auf die tatsächliche Verfügungsgewalt an dem Datenträger als solchem an. Darauf, dass der Auftragnehmer, also der Akten- und Datenträgervernichtungsbetrieb, keine Rechte an den auf den Datenträgern befindlichen Daten erlangt, dürfte es nicht ankommen, da der Abfallbegriff gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG ausdrücklich auf Stoffe oder Gegenstände abstellt.

Jedoch erfolgt die Aufgabe der tatsächlichen Sachherschafft nicht unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung. Die Beurteilung des Wegfalls jeder weiteren Zweckbestimmung richtet sich in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 S. 2 KrWG  nach der Auffassung des Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung.5

Im Rahmen der Verkehrsanschauung ist zu ermitteln, wie sich der Wille des Erzeugers oder Besitzers für seine soziale Umwelt erkennbar äußert.6

In diesem Sinne ist hinsichtlich der weiteren Zweckbestimmung darauf abzustellen, ob das Schicksal der Gegenstände gewiss ist oder ob es sich bei diesemlediglich umeineHoffnung des ursprünglichenBesitzers handelt. 7Weiterhin ist dann zu fragen, ob eine realistische und verbindliche Festlegung einer entsprechenden (weiteren) Funktion der einzelnen Sache ersichtlich ist.8

Ferner ist entscheidend, ob ein Interesse oder einWille des Abgebenden, die Einhaltung der weiteren Zweckbestimmung zu verfolgen oder zu kontrollieren, existiert und ihm die Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die weitere Zweckbestimmung zu kontrollieren.9

Für den Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung könnte vorliegend sprechen, dass im Anschluss der Übergabe der Datenträger zur Datenlöschung diese einem Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren zugeführt werden und sie somit ihren ursprünglichen Zweck, die Datenspeicherung, verlieren. Dagegen spricht aber, dass unmittelbar an die ursprüngliche Zweckbestimmung als Speichermedium eine neue Zweckbestimmung tritt, die keinen abfallspezifischenHintergrund hat. Die neue Zweckbestimmung ist vorliegend darin zu sehen, den Datenträger bzw. die auf diesem vorhandenen Daten zu löschen. Die neue Zweckbestimmung stellt nicht nur eine bloßeHoffnung dar, sondern vielmehr ist das weitere Schicksal der Datenträger gewiss bzw. beabsichtigt, da die Datenlöschung vertraglich zwischen dem ursprünglichen Besitzer und dem Akten- und Datenträgervernichtungsbetrieb geregelt ist. Insofern handelt es sich um eine vom Auftraggeber überprüfbare Auftragsdatenverarbeitung i.S.d. § 11 BDSG. Diese neue Zweckbestimmung ist auch aus einem objektiven Empfängerhorizont nachvollziehbar, da die Löschung der Daten, welche eventuell Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, vor einer im Anschluss an die Löschung erfolgenden Entsorgung der Datenträger im Vordergrund steht.

Es ist somit festzuhalten, dass die Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an den Datenträgern nicht unter Wegfall jederweiteren Zweckbestimmung aufgeben. Bei den Datenträger handelt es sich daher nicht um Gegenstände, deren sich ihr Besitzer i.S.v. § 3 Abs. 2 KrWG entledigt.

b. Entledigungswille i.S.v. § 3 Abs. 3 KrWG

Gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 KrWG ist der Wille zur Entledigung i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen,

1. die bei der Energieumwandlung, Herstellung, Behandlung oder Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen oder bei Dienstleistungen anfallen, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist, oder
2. deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt.

Unstreitig dürften die Datenträger keine Gegenstände i.S.v. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KrWG sein, die bei der Energieumwandlung, Herstellung, Behandlung oder Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen oder bei Dienstleistungen anfallen, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist.

Wie zuvor bereits unter II.1.a. dargelegt, entfällt auch die ursprüngliche Zweckbestimmung gemäß § 3Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrWG der Datenträger nicht, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Es ist somit festzuhalten, dass es sich bei den Datenträgern nicht um Gegenstände handelt, deren sich ihr Besitzer i.S.v. § 3 Abs. 3 KrWG entledigen will.

c. Entledigungspflicht i.S.v. § 3 Abs. 4 KrWG

Gemäß § 3 Abs. 4 KrWGmuss der Besitzer sich Stoffen oder Gegenständen i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG entledigen, wenn diese nichtmehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden und deren Gefährdungspotenzial nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ausgeschlossen werden kann.

Unstreitig sind die Datenträger nicht aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden, so dass ein Wille zur Entledigung i.S.v. § 3 Abs. 4 KrWG nicht angenommen werden kann.

d. Zwischenergebnis

Die Abfalleigenschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG ist für Elektro- und Elektronikgeräte, die zum Zweck der Datenlöschung an Akten- bzw. Datenträgervernichtungsbetriebe übergeben werden, nicht anzunehmen. Es handelt sich bei diesen somit nicht um Altgeräte i.S.v. § 3 Nr. 3 ElektroG, die einer Erstbehandlung in einer nach dem ElektroG zertifiziertenErstbehandlungsanlageunterzogenwerdenmüssen.

Vielmehr werden die Elektro- und Elektronikgeräte erst zu Abfall i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG, wenn die weitere Zweckbestimmung, nämlich die Löschung der Daten, erfüllt ist und somit entfällt. Mit anderen Worten, erst nach der Datenlöschung werden die Datenträger zu Abfall.

3. Datenlöschung als Behandlung i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG

Unabhängig davon, dass es sich bei den zu löschenden Datenträgern nicht um Altgeräte i.S.v. § 3 Nr. 3 ElektroG handelt, ist zu prüfen, ob das Schreddern oder das sonstige Behandeln der Datenträger mit dem Ziel der Datenlöschung eine Erstbehandlung i.S.v. § 3 Nr. 24 ElektroG bzw. eine Behandlung i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG darstellt.

§§ 20 Abs. 1 S. 1 und 21 Abs. 1 ElektroG setzen eine Erstbehandlung voraus. Gemäß § 3 Nr. 24 ElektroG ist die Erstbehandlung als die erste Behandlung von Altgeräten anzusehen, bei der die Altgeräte zur Wiederverwendung vorbereitet oder von Schadstoffen entfrachtet undWertstoffe aus den Altgeräten separiert werden, einschließlich hierauf bezogener Vorbereitungshandlungen.

Die Erstbehandlung setzt wiederum zunächst eine Behandlung als solche im Sinne des ElektroG voraus, welche in § 3 Nr. 23 ElektroG geregelt ist. Es liegt daher keine Erstbehandlung vor, wenn die jeweilige Tätigkeit nicht als Behandlung i.S.d. ElektroG zu qualifizieren ist.

Gemäß § 3 Nr. 23 ElektroG sind unter einer Behandlung solche Tätigkeiten zu verstehen, die nach der Übergabe von Altgeräten an eine Anlage zur Entfrachtung von Schadstoffen, zur Demontage, zumSchreddern, zur Verwertung oder zur Vorbereitung der Beseitigung durchgeführt werden, sowie sonstige Tätigkeiten, die der Verwertung oder Beseitigung der Altgeräte dienen. Ob das Schreddern oder sonstige Behandeln von Datenträgern zur Datenlöschung als Behandlung i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.

a. Wortlaut

DerWortlaut von § 3 Nr. 23 ElektroG stellt zunächst darauf ab, dass die Altgeräte an eine bestimmte Anlage übergeben werden. Erst die Tätigkeiten nach Übergabe der Altgeräte an die Anlage sind als Behandlung i.S.d. § 3 Nr. 23 ElektroG zu verstehen. Beispielhaft zählt § 3 Nr. 23 ElektroG typische Anlagen auf, in denen Altgerätemit demZweck der Verwertung oder der Vorbereitung der Beseitigung bearbeitet werden.

Als Beispiele werden Anlagen zur Entfrachtung von Schadstoffen, Anlagen zur Demontage und Anlagen zum Schreddern genannt.Die Tätigkeiten in diesenAnlagenwerden zur Verwertung oder zur Vorbereitung der Beseitigung durchgeführt. Es ist somit festzuhalten, dass nur Tätigkeiten vom Begriff „Behandlung“ erfasst sind, die nach der Übergabe an Anlagen zur Verwertung oder Beseitigung der Altgeräte erfolgen. Zudem muss die als Behandlung zu verstehende Tätigkeit der Beseitigung oder Verwertung der Altgeräte dienen.10

Dieses Begriffsverständniswird durch § 3 Nr. 23 Hs. 2 ElektroG bestätigt, der besagt, dass auch sonstige Tätigkeiten, die der Verwertung oder Beseitigung der Altgeräte dienen, als Behandlung zu verstehen sind. Es würde keinen Sinn ergeben, von „sonstigen Tätigkeiten, die der Verwertung oder Beseitigung […] dienen“ zu sprechen,wenn die zuvor genannten Tätigkeiten nicht der Verwertung oder Beseitigung dienen.

Das Bearbeiten von Datenträgern zurDatenlöschung zielt aber nicht auf eine Verwertung oder Beseitigung der Datenträger ab. Sie ist somit nicht von demWortlaut von § 3 Nr. 23 ElektroG erfasst und somit nicht als Behandlung i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG zu verstehen.

b. Historische Auslegung

Aus den Gesetzgebungsunterlagen zum „neuen“ ElektroG ergibt sich lediglich, dass § 3 Nr. 23 ElektroG den Begriff der Behandlung definiere und inhaltsgleich der Definition in § 3 Abs. 10 im bisherigen ElektroG entspreche. Die Behandlung umfasse auch die Erstbehandlung nach § 3 Nr. 24 ElektroG.11

Der von der Gesetzesbegründung in Bezug genommene § 3 Abs. 10 ElektroG a.F. besteht imWesentlichen unverändert seit der ersten Fassung des ElektroG. § 3 Abs. 10 ElektroG a.F. lautete im ElektroG aus dem Jahr 2005 wie folgt:

„Behandlung im Sinne dieses Gesetzes sind Tätigkeiten, die nach der Übergabe der Altgeräte an eine Anlage zur Entfrachtung von Schadstoffen, zur Demontage, zum Schreddern, zur Verwertung oder zur Vorbereitung der Beseitigung durchgeführt werden, sowie sonstige Tätigkeiten, die der Verwertung oder Beseitigung der Altgeräte dienen.“ 12

Die Gesetzesbegründung zur Ursprungsfassung des ElektroG enthält keine Ausführungen zu der Definition des Begriffs „Behandlung“.13

In Bezug auf den Datenschutz wurde im Gesetzgebungsverfahren zum „neuen“ ElektroG vom Bundesrat gefordert, § 2 Abs. 3 S. 3 ElektroG dahingehend zu ergänzen, dass die Anforderungen an den Datenschutz durch das ElektroG unberührt bleiben. Diese Forderung begründete der Bundesrat damit, dass durch diese Änderung klargestellt werde, dass datenschutzrechtliche Vorgaben vom ElektroG unberührt blieben und bei der Ausübung der vom ElektroG betroffenen Tätigkeiten von den jeweils Handelnden zu berücksichtigen seien.14

Weiterhin forderte der Bundesrat, dass § 21 Abs. 3 S. 1 ElektroG mit einer weiteren Nummer zu ergänzen sei, die regele, dass der Betreiber der Erstbehandlungsanlage nachweisenmüsse, dass er Vorkehrungen zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen getroffen habe, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sei. Der Bundesrat begründet seinen Änderungsvorschlag damit, dass die Verbreitung von Elektronikgeräten, die personenbezogene Daten oder auch Verhaltensprofile vonMenschen(zwischen)speichern, eine immer stärkere Dynamik erfahre. Diesem Sachverhalt sei im Gesetzentwurf Rechnung zu tragen.15

Die Bundesregierung entgegnete dem nur, dass sie die Anliegen des Bundesrates im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens prüfen werde.16

Die Forderungen des Bundesrateswurden im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht umgesetzt. Lediglich dieVerordnungsermächtigung in § 24Nr. 2 ElektroGwurde für Anforderungen an den Schutz personenbezogener Daten bei der Vorbereitung zur Wiederverwendung ergänzt.17

Dies zeigt zwar, dass der Gesetzgeber die Problematik „Datenschutz“ zum Teil erkannt hat, jedoch nicht in Bezug auf die Datenlöschung bzw. Datenträgervernichtung als Dienstleistung. Insbesondere wurden die Anforderungen an die Zertifizierung von Erstbehandlungsanlagen nicht um weitere Anforderungen an den Datenschutz ergänzt. Es ist somit festzuhalten, dass der Gesetzgeber jedenfalls keine anderen Tätigkeiten, als jene, die der Verwertung oder Beseitigung von Altgeräten dienen, unter dem Begriff „Behandlung“ i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG berücksichtigen wollte.

c. Sinn und Zweck

Sodann wird das eingeschränkte Verständnis des Begriffs „Behandlung“ i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG, nur Tätigkeiten mit demZiel derVerwertung oder Beseitigung zu erfassen, auch von Sinn und Zweck der in § 3 Nr. 23 ElektroG enthaltenen Begriffsbestimmung gestützt. Denn Sinn und Zweck der in § 3 Nr. 23 ElektroG enthaltenen Definition des Begriffs „Behandlung“ ist es, den Inhalt dieses Begriffes für die weiteren an ihn gestellten Pflichten inAbschnitt 4. „Behandlungs- und Verwertungspflichten, Verbringung“ festzulegen. Abschnitt 4 des ElektroG zielt aber auf Tätigkeiten mit dem Ziel der Verwertung oder Beseitigung der Altgeräte ab, was nicht zuletzt aus der Festlegung der Verwertungsquoten in § 22 ElektroG deutlich wird. Insbesondere ist an dieser Stelle der eingangs erwähnte § 20 Abs. 1 S. 1 ElektroG zu nennen, der ausdrücklich darauf abstellt, dass Altgeräte vor der Durchführung weiterer Verwertungs- und Beseitigungsmaßnahmen einer Erstbehandlung zuzuführen sind. Somit muss die zunächst erfolgende (Erst-)Behandlung auch derVerwertung oder Beseitigung dienen, ansonsten würde der Bezug auf weitere Maßnahmen dieser Art keinen Sinn ergeben.

Sinn und Zweck derDefinition des Begriffs „Behandlung“ i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG ist es somit nicht, mit diesem inhaltlich außerhalb des ElektroG stehende Tätigkeiten, also solche die nicht der Verwertung oder Beseitigung dienen, zu erfassen. § 3 Nr. 23 ElektroG erfasst daher auch nach seinem Sinn und Zweck nicht die Behandlung von Datenträgern zur Datenlöschung.

d. Systematik

Ferner ergibt sich das vorliegend vertretene Verständnis auch aus systematischen Gesichtspunkten. § 1 ElektroG bestimmt die Ziele des ElektroG. Nach § 1 ElektroG legt das ElektroG Anforderungen an die Produktverantwortung nach § 23 des KrWG für Elektro- und Elektronikgeräte fest. Nach § 1 S. 2 ElektroG bezweckt das ElektroG vorrangig die Vermeidung von Abfällen von Elektro- und Elektronikgeräten und darüber hinaus die Vorbereitung zurWiederverwendung, das Recycling und andere Formen der Verwertung solcher Abfälle, um die zu beseitigende Abfallmenge zu reduzieren und dadurch die Effizienz der Ressourcennutzung zu verbessern. Umdiese abfallwirtschaftlichen Ziele zu erreichen, soll das Gesetz das Marktverhalten der Verpflichteten regeln.

Das Ziel des ElektroG bezieht sich somit nur auf abfallwirtschaftliche Gesichtspunkte, wie die Förderung der Produktverantwortung, der Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, des Recyclings und der Verwertung von Altgeräten. Die Löschung von Datenträgern steht hingegen in keinem Zusammenhang mit den Zielen des ElektroG, denn sie ist weder Ausdruck der Produktverantwortung noch dient sie der Vermeidung, Vorbereitung zurWiederverwendung, des Recyclings oder der Verwertung von Altgeräten.

Es ist somit festzuhalten, dass auch systematische Gründe dafür sprechen, § 3 Nr. 23 ElektroG dahingehend auszulegen, dass er lediglich Tätigkeiten, die der Verwertung oder Beseitigung der Altgeräte dienen, erfasst.

e. Zwischenergebnis

Die in § 3 Nr. 23 ElektroG enthaltene Definition des Begriffs „Behandlung“ ist dahingehend auszulegen, dass sie nur Tätigkeiten mit demZiel derVerwertung oder Beseitigung von Altgeräten erfasst. Dafür sprechen der Wortlaut, der Sinn und Zweck der Norm sowie systematische Erwägungen.

Die vorliegend vertretene Auslegung des Begriffs „Behandlung“ i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG hat zur Folge, dass Tätigkeiten, die nicht der Verwertung oder Beseitigung von Altgeräten dienen, nicht als Behandlung i.S.d. ElektroG anzusehen sind. Das Schreddern oder sonstige Behandeln von Datenträgern zur Datenlöschung stellt daher keine Behandlung i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG und somit auch keine Erstbehandlung i.S.v. § 3 Nr. 24 ElektroG dar, da es weder der Verwertung noch der Beseitigung der Datenträger dient.

Die Anlagen, in denen Datenträger zum Zweck der Datenlöschung behandeltwerden, benötigen daher keine Zertifizierung als Erstbehandlungsanlage nach dem ElektroG, da bereits keine Erstbehandlung der Geräte gegeben ist.

III. Fazit

Ein Zertifikat als Erstbehandlungsanlage nach dem ElektroG benötigen nur Anlagen, die Altgeräte i.S.v. § 3 Nr. 3 ElektroG einer Erstbehandlung i.S.v. § 3 Nr. 24 ElektroG zuführen. Daher benötigen Anlagen, die Datenträger mit dem Ziel der Datenlöschung vernichten, keine Zertifizierung als Erstbehandlungsanlage nach dem ElektroG.

Für dieses Ergebnis spricht zum einen, dass es sich bei den zu löschenden Datenträgern nicht um Altgeräte i.S.v. § 3 Nr. 3 ElektroG handelt, da diese nicht als Abfall i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG zu qualifizieren sind. Gegen die
Einstufung als Abfall ist vorzubringen, dass die Datenträger ihre Zweckbestimmung nicht verlieren, da sie mit dem Zweck der unwiderruflichenDatenlöschung im Rahmen eines Auftrages übergeben werden.

Zum anderen spricht für das hier gefundene Ergebnis, dass das Behandeln von Altgeräten mit dem Ziel der Datenlöschung keine Behandlung i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG und somit auch keine Erstbehandlung i.S.v. § 3 Nr. 24 ElektroG darstellt.

Denn eine Behandlung i.S.v. § 3 Nr. 23 ElektroG setzt voraus, dass die Tätigkeit die Verwertung oder Beseitigung der Altgeräte zumZ iel hat.Die Datenträgervernichtung zum Zwecke der Löschung der Daten hat aber nicht die Verwertung oder Beseitigung der Datenträger zum Ziel.

Fußnoten:

1 Gemäß Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz – ElektroG) vom 20.10.2015, BGBl. I 2015, S. 1739, gilt der sogenannte offene Anwendungsbereich des ElektroG, welcher nicht mehr auf die in § 2 ElektroG genannten Gerätekategorien beschränkt ist, erst ab dem 18.5.2018; vgl. dazu Pauly/Peine/Janke, Die Novellierung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes aus Sicht der privaten Entsorgungswirtschaft, ZUR 2016, 67 (67 f.).
2 Vgl. BT-Drucks. 18/4901, S. 80.
3 Vgl. Hilf, in: Giesberts/Hilf, ElektroG, 2. Aufl. 2009, § 3 Rn. 11.
4 Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 2.3.2010 – 7 B 37/09, Rn. 11, juris.
5 Vgl. Petersen, in: Jarass/Petersen, KrWG, 1. Aufl. 2014, § 3 Rn. 65.
6 Vgl. Kropp, in: von Lersner/Wendenburg/Versteyl, Recht der Abfallbeseitigung,
2. Aufl. 2015, Band 1, Erg.-Lfg. 2/12, § 3 Rn. 61.
7 Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 21.3.2013 – 17 L 260/13, Rn. 37, juris.
8 Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.1.2014 – 20 B 331/13, Rn. 15, juris.
9 Vgl. OVG NRW, s. Fn. 8, Rn. 16.
10 In diesem Sinne wohl auch Hilf, s. Fn. 3, § 3 Rn. 45.
11 Vgl. BT-Drucks., s. Fn. 2, S. 83.
12 ElektroG vom 16.3.2005, BGBl. I S. 762 (763).
13 Vgl. BT-Drucks 664/04, S. 42.
14 Vgl. BT-Drucks, s. Fn. 2, S. 123.
15 Vgl. BT-Drucks, s. Fn. 2, S. 129.
16 Vgl. BT-Drucks, s. Fn. 2, S. 134 u. 138.
17 Vgl. BT-Drucks 18/5412, S. 3.

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Erschienen in: AbfallR 1 2017




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