Die Eisenbahnfreunde Wetterau sind als Eigentümer eines 20 km langen Netzes in der Region FrankfurtRheinMain ein wichtiger Garant für Verlagerung per direktem Gleisanschluss oder wie hier über eine Holzverladestelle in Münzenberg südlich von Gießen. Bildquelle. Stefan John / Eisenbahnfreunde Wetterau

Mehr Schienengüterverkehr ist das Ziel. Doch wie lässt sich dieses Ziel konkret "vor Ort" erreichen? Ein Interview mit Rouven Kötter (42), Erster Beigeordneter und Mobilitätsdezernent beim Regionalverband FrankfurtRheinMain, gibt dazu einen interessanten Einblick.


0923 koetterRouven Kötter (42) ist seit 2018 Erster Beigeordneter und Mobilitätsdezernent beim Regionalverband FrankfurtRheinMain Frage: Der Regionalverband kümmert sich als öffentliche Planungseinrichtung um mehr Schienengüterverkehr in der Region. Wie sieht das konkret aus?

Der Regionalverband FrankfurtRheinMain sichert in seinem regionsweiten Planwerk, dem Regionalen Flächennutzungsplan, der regionale und örtliche Planung zusammenführt, wichtige Infrastruktur für den Gütertransport auf der Schiene. Zu diesen gehören neben den Schienenstrecken selbst Gleisanschlüsse, Industriestammgleise sowie Standorte für die Gewerbe- und besonders Logistikansiedlung. Wichtige Funktion erfüllen auch sogenannte Schnittstellen des Güterverkehrs, wie Umschlagstellen für die Schiene, wozu Ladestellen, Kombiterminals oder Häfen gehören.

Wie gut kommen Sie da voran? Was kann noch besser werden?

Mit dem Plan können wir ein Angebot für Betreiber an den Schnittstellen sowie die verladende Wirtschaft machen. Leider ist die Situation in Deutschland immer noch derart, dass bei nicht gegebener Bedienung eines Gleisanschlusses oder einer Anschlussstrecke, die Infrastruktur Gefahr läuft, nicht mehr für den Schienenverkehr zur Verfügung zu stehen und durch Überplanung gar zurückgebaut zu werden. So sind auch in der Region FrankfurtRheinMain die Zugangsstellen zum Schienenverkehr, wie zum Beispiel Gleisanschlüsse oder Ladestellen, tendenziell rückläufig. Der Draht zur Wirtschaft als potenzielle Nutzer der Gleisinfrastruktur ist hierfür eminent wichtig und ist noch weiter zu intensivieren. Mit der Mobilitätsstrategie FrankfurtRheinMain haben wir Ende 2020 viele Maßnahmen auch im Bereich des Schienenverkehrs beschlossen, um dem Rückzug der Schiene entgegen zu wirken und so auch ein Angebot an die Wirtschaft zu machen: Der Regionale Schienencoach.

Wer ist der Regionale Schienencoach und wie arbeitet er?

Der Regionale Schienencoach berät Kommunen und Unternehmen in der Region FrankfurtRheinMain mit dem Ziel, mehr Güter auf die Schiene zu verlagern und Chancen für die Sicherung und Entwicklung von Schieneninfrastruktur auszuloten. Zur Ausübung dieser Funktion greift der Verband bewusst auf externes Fachwissen aus der Praxis zurück. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Wissen aus dem Tagesgeschäft weitergegeben wird und zur Anwendung kommt. Seit Ende 2020 übt Herr Michael Roggenkamp von der Firma ederlog dieses Mandat aus. Er ist ein Eisenbahner der ersten Stunde nach der Bahnreform Anfang der 1990er Jahre und verfügt somit über das wichtige planerische, betriebliche und rechtliche Wissen, um zielgerichtet zu beraten.

Welche Aufgaben erfüllt er dabei?

Herr Roggenkamp ist Lotse für öffentliche Akteure und die Wirtschaft im Regelungs-, Verwaltungs- und Förderdschungel. Er berät auch für den Personenverkehr. Im Güterverkehr deckt er ab:

  • Potenzialabschätzung für mehr Güter auf die Schiene, sei es die einzelne Unternehmensansiedlung oder ein Gewerbegebiet.
  • Beratung von Kommunen und Unternehmen bei der Planung und Erhaltung von Gleisanschlüssen und Schienenstrecken.
  • Fördermittelberatung für Kommunen und Unternehmen.
  • Unterstützung bei Auswahl des geeigneten Bahnspezialisten – des Spediteurs oder des Eisenbahnbetreibers.

Was hat der Regionale Schienencoach bisher erreicht?

Herr Roggenkamp hat bisher 14 Beratungen durchgeführt, darunter sieben Unternehmen und sechs Kommunen. Das Spektrum reicht dabei von Fragen der besseren Anbindung eines Gewerbegebietes über die Frage der Reaktivierung eines Anschlusses durch Klärung vertraglicher Sachverhalte bis zur Entwicklung eines Bedienkonzeptes für ein Unternehmen.

Aus diesen Erfolgen sind je nach weiteren Verhandlungen konkrete Umsetzungen zu erwarten. Ein konkretes Beispiel möchte ich näher ausführen. Die Eisenbahnfreunde Wetterau (EFW) sind aus einer Privatinitiative entstandener Infrastrukturbetreiber eines etwa 20 km langen Netzes in der nördlichen Wetterau südlich von Gießen. Im Rahmen der Beratung wurden die EFW beim Erwerb des Streckennetzes unterstützt. Jetzt als Eigentümer können sie Fördermittel zur Ertüchtigung von Gleisanlagen insbesondere des Landes Hessen erwerben. Zudem haben Gleisanschließer an der Strecke signalisiert, bei jetzt verlässlicher Rechtslage, sich für eine Verlagerung einzusetzen. Hierzu laufen noch weitere Beratungen bzw. müssen auch bestehende Logistikketten überprüft werden. Da die EFW auch Ladestellen betreiben, ergeben sich weitere Verlagerungsmöglichkeiten, insbesondere im Bereich Holz. Andere Möglichkeiten, wie Zuckerrüben oder auch Baustoffrecycling, werden geprüft.

Wo kann der Regionale Schienencoach die Unternehmen des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung unterstützen?

Da das Spektrum sehr breit ist und jede Situation vom Einzelfall abhängig ist, ergeben sich hier vielfältige Anknüpfungspunkte. Im Optimalfall kann der Schienencoach die Grundlagen für einen Gleisanschluss legen. Wenn dies nicht der Fall ist, so sind Ladestellen eine gute Alternative. Fragen der Bündelung von Transportmengen oder die Wahl des geeigneten Eisenbahnunternehmens sind oft der Schlüssel zum Erfolg. Entsorgung und Recycling von Stoffen spielen für einen Ballungsraum eine wichtige Rolle. Zu viel wird noch auf der Straße abgewickelt.

Information zum Regionalverband und Regionalem Schienencoach:
Der Regionalverband FrankfurtRheinMain ist als Körperschaft öffentlichen Rechts die Stelle für die regionale Flächennutzungsplanung, Landschaftsplanung, Klimaschutz, Europa und Mobilität in der gleichnamigen Region mit 2,4 Millionen Menschen in 80 Kommunen, wozu unter anderem die Großstädte Frankfurt am Main, Offenbach am Main und Hanau gehören. Mit der Ende 2020 verabschiedeten Mobilitätstrage werden in zahlreichen Maßnahmen Möglichkeiten zur Verkehrswende in der Region aufgezeigt.

Mehr unter www.region-frankfurt.de/mostra. Dort finden sich auch Informationen zum Regionalen Schienencoach als Maßnahme 18 der Mobilitätsstrategie.

Zur Person:
Rouven Kötter (42) ist seit 2018 Erster Beigeordneter und Mobilitätsdezernent beim Regionalverband FrankfurtRheinMain und bekennt sich klar: „Die Schiene ist und bleibt das Rückgrat einer modernen Mobilität!“ Der Sozialdemokrat war zuvor zehn Jahre Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Wölfersheim in der Wetterau, zwischen Gießen und Frankfurt am Main, und hat aus dieser Zeit seine Begeisterung für die Bahn mitgenommen: Er kaufte als Bürgermeister eine stillgelegte Bahnstrecke und rettete sie vor der endgültigen Entwidmung. Die Horlofftalbahn soll nun reaktiviert werden. Aufgrund der damit verbundenen Erfahrungen will er den Kommunen und Unternehmen der Region beim Schienenverkehr einen neutralen Lotsen durch Förder- und Zuständigkeitsdschungel und bieten - den Regionalen Schienencoach.